Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
ein, wer seine Halbschwester war.
»Schon gut«, winkte sie ab. »Im letzten Jahr wurde bei mir auch eingebrochen. Und ich habe die Miliz ebenfalls nicht verständigt, aus denselben Gründen.«
»Nicht möglich! Hat man dich etwa auch beraubt?«
»Nein, man hat versucht, mich zu erpressen. Aber lenk nicht ab, Sascha, erzähl weiter.«
»Kurz darauf wurde ein zweiter Freund direkt im Hauseingang überfallen.«
»Und?«
»Man hat ihm ebenfalls die Papiere abgenommen. Und am nächsten Tag lagen sie auch bei ihm wieder im Briefkasten.«
»Großartig!« Aus irgendeinem Grund kehrte plötzlich Nastjas gute Laune zurück. »Erzähl weiter.«
»Dann verschwanden bei einem Dritten und bei einem Vierten die Papiere aus der Wohnung. Und ich fürchte, daß Dascha die Komplizin der Bande ist. Daß sie für irgendwelche Mafiosi arbeitet, die gefälschte Papiere brauchen. Die Papiere irgendeines Hinz oder Kunz sind für ihre Machenschaften nicht geeignet, deshalb spüren sie Leute mit entsprechendem Status auf. Und mein Bekanntenkreis besteht hauptsächlich aus Unternehmern, Bankiers, Börsenmaklern, kurz, aus angesehenen, solventen Leuten.«
Das Brücherchen hat recht, dachte Nastja. Natürlich ist es viel ungefährlicher, gefälschte Papiere zu verwenden als gestohlene Originale. Sie machen eine Kopie, und nach der stellen sie die Fälschung her. Das Papier und der Druck – kein Problem. Auf diesem Gebiet haben wir heute hochkarätige Profis. Von solchen träumt nicht einmal das staatliche Münzamt. Im Fall einer Kontrolle besteht keine Gefahr, denn das Dokument ist nicht als gestohlen gemeldet. Alles stimmt. Der Name, die Paßnummer, das Datum, die ausstellende Behörde. Nur das Foto wurde ausgetauscht. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Schönheit von Dascha für eine Bande arbeitet, die dieses Talmi am Fließband herstellt. Das kriminelle Handwerk hat sich bei uns inzwischen spezialisiert.
»Wie oft habt ihr zusammen Freunde besucht?« fragte sie und goß sich eine zweite Tasse Kaffee ein. Ihr Halbbruder hatte die Tasse Tee, die vor ihm stand, nicht angerührt. Obwohl er äußerlich selbstbewußt und gelassen wirkte, fiel ihm das Gespräch ganz offensichtlich nicht leicht.
»Sechsmal.«
»Daran erinnerst du dich genau?«
»Nastja, ich habe dich schließlich nicht gleich angerufen. Ich habe die Sache lange beobachtet, mir Gedanken gemacht, mich immer wieder gefragt, ob der Verdacht begründet ist. Aber die Überfälle und Diebstähle sind immer drei, vier Tage nach unseren Besuchen passiert.«
»Ihr wart in sechs verschiedenen Wohnungen?«
»Ja, wir haben dieselben Leute nie zweimal besucht.«
»Aber bestohlen wurden nur vier Leute?«
»Nur vier«, bestätigte Sascha.
»Gibt es dafür irgendeine Erklärung?«
»Nein, ich verstehe es nicht.«
»Wann hat der erste Diebstahl stattgefunden?«
»Am vierten Oktober, an einem Dienstag. Am Samstag davor hatten wir die Leute besucht.«
»Und vor euren gemeinsamen Besuchen wurden deine Bekannten nie beraubt?«
»Nein, das ist es ja eben. Bei den zwei Freunden, die wir im September besucht haben, ist nichts passiert. Alles begann im Oktober. Ich denke, sie hat erst einmal abgewartet und sich davon überzeugt, daß meine Bekannten die Leute mit den passenden Papieren sind.«
»Das alles klingt logisch. Aber glaubst du es auch? Was sagt dein Herz?«
Sascha verstummte für einen Moment und rührte den Zucker in seinem kalten Tee um.
»Ich kann das schwer beurteilen, Nastja« sagte er unschlüssig. »Dascha ist ein ungewöhnliches Mädchen. Das läßt sich mit Worten nicht ausdrücken. Ich bringe es einfach nicht fertig, sie auf die Sache anzusprechen. Das wäre genauso, als würde man einen Strauß frischer Blumen kaufen und ihn dann auf den Müll werfen. Das sagt das Herz. Aber der Verstand sagt etwas anderes.«
»Was zum Beispiel?«
»Was will sie von mir? Ich sehe nicht sehr gut aus und bin alles andere als ein Supermann. Mit einem Liebhaber wie mir kann man keinen Staat machen. Ich habe zwar Geld, und das nicht gerade wenig, aber davon sieht und hört Dascha nichts, das bringt ihr keine Vorteile. Als künftiger Ehemann komme ich ebenfalls nicht in Frage, denn ich werde mich unter keinen Umständen scheiden lassen, und das weiß sie. Was also hat sie von mir? Es kann nur so sein, daß sie irgendwelche eigennützigen Ziele verfolgt.«
»Und die Liebe?« fragte Nastja spottlustig, »von der Liebe hältst du wohl gar nichts?«
»Die Liebe?« Er sah seine
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