Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
Halbschwester betreten an und begann laut zu lachen. »Wie könnte mich jemand lieben? Du hast Ideen, Schwesterherz! Mich hat noch nie im Leben jemand geliebt. Ich war immer schon das Bleichgesicht, der Trottel, schon als Kind hat man mich verspottet, als Spulwurm und Kakerlake. Ich bin nicht schön und habe einen abstoßenden Charakter. Frauen habe ich mir immer nur gekauft. Auch meine Frau liebt mich nicht. Sie ist eine gute Ehefrau, wir sind Freunde, aber sie liebt mich nicht. Sie hat mein Geld geheiratet, die Perspektiven, die ich ihr biete, aber nicht mich.«
»Und warum hast du sie dann geheiratet?«
»Ich habe nicht geheiratet. Ich habe mir eine Mutter für mein Kind gekauft. Und ich bin dem Schicksal dankbar, daß sie nicht nur die Mutter meiner Tochter, sondern auch meine Freundin geworden ist. Damit hatte ich nicht gerechnet.«
»Moment mal, du hast doch gesagt, daß du für Dascha kein Geld ausgibst. Sie hast du also nicht gekauft?«
»Ich habe versucht, ihr die üblichen teuren Geschenke zu machen, aber sie hat sie nicht angenommen. Genau das macht mich mißtrauisch. Was will sie von mir?«
»Entschuldige bitte, aber du redest Schwachsinn«, sagte Nastja verärgert. »Warum sollte man dich nicht lieben können? Das hast du dir alles irgendwie ausgedacht. Redest dir wer weiß was ein über dich selbst und das Mädchen.«
»Und die Diebstähle?« fragte Sascha mit trauriger Stimme. Man sah, daß ihm seine Verdächtigungen selbst zusetzten.
»Ja, die Diebstähle«, sagte Nastja nachdenklich. »Darüber müssen wir uns Gedanken machen. Ich schlage vor, daß ich mir deine Dascha selbst einmal anschaue. Arbeitet sie morgen?«
»Ja, sie hat Nachmittagsschicht. Von drei bis acht. Weißt du, wo das ›Orion‹ ist?«
»Ja, weiß ich. Hast du ihr etwas von mir erzählt?«
»Nein.«
»Gut, morgen nehme ich sie unter die Lupe.«
Sascha lächelte unverhofft und holte seine Brieftasche aus dem Jackett.
»Nimm das«, sagte er und hielt Nastja ein abgepacktes Bündel Geldscheine hin.
»Wofür denn?« fragte sie überrascht.
»Kauf dir irgendwas zum Schein. Im ›Orion‹ ist alles sehr teuer.«
Damit hat er nicht unrecht, dachte sie. Ich werde mindestens zehn Kleider anprobieren müssen, um mir die Dame näher anschauen zu können, und wenn ich schließlich mit leeren Händen aus dem Geschäft gehe, könnte das Verdacht erregen. Mein Bruderherz scheint kein Dummkopf zu sein. Obwohl er eine ganz schöne Macke hat.
Nachdem Nastja die Tür hinter Sascha geschlossen hatte, ging sie in das Zimmer, in dem Ljoscha am Computer saß und arbeitete.
»Weißt du, Ljoschenka, ich habe einen sehr interessanten Verwandten«, sagte sie und umarmte ihn von hinten. »Er ist davon überzeugt, daß ihn niemand liebt.«
»Ach ja?« bemerkte Tschistjakow zerstreut, ohne von der Arbeit aufzusehen. »Warum denn?«
»Er ist häßlich und hat einen schlechten Charakter.«
»Das ist alles? Wenn der Ärmste wüßte, was für einen Charakter seine Halbschwester hat! Und doch gibt es auf der Welt einen Dummkopf, der sie liebt. Du willst sicher an den Computer. Ich bin gleich fertig.«
»Danke, Ljoschenka. Was haben wir denn fürs Abendessen?«
»Ich glaube, es sind noch ein paar Frikadellen da.«
»Und ich glaube, wir haben sie schon aufgegessen«, argwöhnte Nastja.
Ljoscha schloß die Datei und erhob sich.
»Nimm Platz, du Koryphäe des Kampfes gegen das Verbrechen. Ich habe endlich begriffen, warum du mich nicht heiraten willst.«
»Warum?« fragte sie neugierig, während sie ihre Datei anklickte. »Sag es mir, dann weiß ich es wenigstens.«
»Weil du faul bist und nichts von der Hauswirtschaft verstehst. Solange ich um deine Hand anhalte, was ich bereits seit über zehn Jahren tue, bin ich quasi von dir abhängig, und du machst mit mir, was du willst. Wenn du mich heiratest, verlierst du deine Freiheit und Unabhängigkeit, und wer wird dann für dich kochen?«
»Wenn du nicht für mich kochst, lasse ich mich scheiden«, drohte Nastja, während sie die Linien für eine Tabelle auf dem Bildschirm zog.
»Das glaubst du doch selbst nicht«, brummte Tschistjakow und nahm seine Papiere vom Tisch. »Du bist doch sogar zu faul, ein belegtes Brot zu machen, geschweige denn, dich scheiden zu lassen.«
2
Dmitrij Sotnikow beobachtete lächelnd die sieben Kinder, die sich über ihre Blätter beugten und eifrig Stilleben malten. Obwohl es sich um hochbegabte Kinder handelte, waren es doch Kinder, unbefangen, lebhaft und sehr
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