Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
diesem Moment im Raum zu hören war.
Der zweite Mann war ein Amerikaner mit athletischen Schultern und dem Gesicht eines Filmstars, durchzogen von tiefen, scharfen Furchen. Die Furchen verliehen seinem männlichen Äußeren einen besonderen Charme, sie wirkten wie ein Abdruck bestandener Prüfungen und großer, schwerwiegender Erfahrungen. In seinem dichten kastanienbraunen Haar war noch keine Spur von Grau zu entdecken, und wenn er sich bewegte, hätte man ihn von hinten für einen zwanzigjährigen Sportler halten können, obwohl er in Wirklichkeit dreißig Jahre älter war. Der Amerikaner saß lässig zurückgelehnt im Sessel, doch seine entspannte Pose konnte den grauhaarigen Japaner nicht täuschen. Er wußte sehr gut, zu welch überraschenden, angriffslustigen Sprüngen gemütlich schnurrende Katzen fähig waren. Besonders dann, wenn es sich um Raubkatzen handelte.
»Und trotz allem haben Sie mich nicht überzeugt, mein Freund«, sagte endlich der Japaner, das Schweigen brechend. »Sie bekommen von unserer Organisation sehr viel Geld dafür, daß Sie uns die technische Neuentwicklung in kurzer Frist liefern. Sie haben uns die Fertigstellung zum 1. Januar zugesagt. Sie haben uns einen Zeitplan für die Durchführung der notwendigen Versuche vorgelegt, und wir waren mit diesem Zeitplan einverstanden. Mit anderen Worten, wir haben akzeptiert, daß Sie die Arbeit nicht vor dem 1. Januar abschließen können, und wir haben uns bereit erklärt, Sie bis zu diesem Zeitpunkt zu finanzieren. Und was geschieht nun? Ein einziger lausiger Russe bringt den ganzen Zeitplan durcheinander, nach dem Dutzende von Leuten pausenlos arbeiten. Konnten Sie denn wirklich keine verläßlichere Quelle für die Lieferung des Rohstoffes finden?«
Der Amerikaner stellte die Teetasse samt Unterteller vorsichtig auf dem niedrigen Tischchen ab und lehnte sich wieder bequem im Sessel zurück.
»Akira-San, Sie wissen sehr gut, daß Rußland zur Zeit von jedem ausgeraubt wird, der gerade Lust dazu hat. Strategische Rohstoffe werden in Lastwagen, Güterwaggons und sogar Transportflugzeugen außer Landes gebracht. Diese Geschäfte werden von durchaus angesehenen, soliden Leuten gemacht, die Verbindungen zu Regierungskreisen haben, aber diese Leute stehen im Licht der Öffentlichkeit, und wenn die Ware wider Erwarten vom Zoll geprüft wird, entsteht ein Skandal, dessen Wellen sehr schnell nicht nur den Absender, sondern auch den Empfänger der Ware erreichen. Und wenn ich Sie recht verstehe, möchten Sie auf keinen Fall, daß so etwas geschieht. Der unzuverlässige, lausige Russe, wie Sie sich auszudrücken beliebten, ist der Garant unserer Sicherheit. Selbst wenn er morgen ein Schuldgeständnis ablegt und alles erzählt, was er weiß, ist das völlig ungefährlich für uns, denn es besteht keine Möglichkeit, uns zu finden und seine Aussagen zu überprüfen. Eine Metallkapsel, die in eine Faust paßt, kann man zufällig auf der Straße finden, aber ein beladener Wagen hat immer einen Absender, und es gibt immer Leute, die wissen, wann, wo und mit wem der Lieferant sich getroffen hat. Es ist mir ausgesprochen peinlich, Sie an diese simplen Fakten erinnern zu müssen.«
»Alles, was Sie sagen, ist völlig richtig, aber leider ohne jeden Nutzen«, sagte der Japaner kalt, »denn es trägt nicht dazu bei, die Lösung des Problems zu beschleunigen. Was muß geschehen, damit die Arbeit wieder aufgenommen werden kann?«
»Wir können den Russen unter Druck setzen und ihm noch mehr Geld anbieten. Oder eine andere Quelle suchen.«
»Was ist billiger?«
»Das bleibt sich gleich.« Der Amerikaner zuckte mit den Schultern. »Die Suche nach einer neuen Quelle wird ein rundes Sümmchen kosten und das Risiko erhöhen. Deshalb wird es klüger sein, dieses Geld unserem Lieferanten zu bezahlen, damit er die Lösung seines Problems vorantreibt.«
»Was für ein Problem hat er eigentlich, Carl? Könnten Sie ihm nicht irgendwie helfen?«
»Das weiß ich nicht und will es auch nicht wissen. Der Russe muß seine Probleme selbst lösen, ohne unsere Hilfe. Er bekommt von uns genug Geld für seine Lieferung. Es wäre dumm und gefährlich, sich in seine Angelegenheiten einzumischen.«
»Das Unternehmen erfordert also neue Investitionen«, konstatierte Akira-San unzufrieden. »Das gefällt mir nicht, Carl. Ist es nicht möglich, daß Ihr Russe uns einfach erpressen will?«
Der Amerikaner lächelte.
»Ich schätze Ihr Feingefühl, Akira-San. In Wirklichkeit glauben
Weitere Kostenlose Bücher