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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Dascha, geschickt mit der Nadel hantierend, das vielerwähnte Loch in ihrer Strumpfhose flickte.
    »Anastasija Pawlowna, wie heißt das Mädchen?« fragte sie, als sie bereits dabei waren, den Hörsaal zu verlassen.
    »Das Mädchen heißt Natascha. Wozu willst du das wissen?«
    »Aber sie wartet doch draußen vor der Tür auf mich, ich werde ja jetzt wahrscheinlich mit ihr auf die Straße hinausgehen müssen. Da muß ich schließlich wissen, wie ich sie ansprechen kann. Vielleicht wird unser Beschatter ja hören wollen, worüber wir uns unterhalten.«
    Nastja schloß ihre Handtasche und begann, ihre Jacke zuzuknöpfen.
    »Komm mal her«, sagte sie zu Dascha.
    Das Mädchen kam dicht an sie heran, und Nastja legte ihr sanft die Hand auf die Schulter.
    »Hast du denn überhaupt keine Angst?« fragte sie leise.
    »Jetzt nicht mehr.« Dascha lächelte sonnig und schüttelte ihre honiggoldenen Locken. »Jetzt, da Sie die Sache in die Hand genommen haben, habe ich doch nichts mehr zu befürchten. Ich finde es schrecklich interessant. Ein richtiges Abenteuer!«
    Ja, wirklich, dachte Nastja, schrecklich interessant. Weißt du denn nicht, meine Kleine, daß dir der Tod auf den Fersen ist? Und solltest du es wissen? Ich habe mir eine riesige Verantwortung aufgeladen, indem ich nur einen einzigen Fehler gemacht habe, aber dieser Fehler ist nicht mehr zu korrigieren. Indem ich dafür gesorgt habe, daß Kostyrja neulich deine Spur verloren hat, habe ich deine Verfolger wahrscheinlich in ihrem Verdacht bestärkt, daß du eine Informantin bist. Und dabei wußte ich damals noch nichts von Berkowitsch. Jetzt bist du noch gefährlicher für sie geworden, und was das Schlimmste ist, nicht ohne mein Zutun. Ich muß mir etwas einfallen lassen. Du glaubst so sehr an mich, meine Kleine, daß ich alles nur Mögliche tun muß, um dich zu beschützen.
    »Daschenka, ich will dir keine Angst einjagen, aber. . . Weißt du was? Laß uns so tun, als wärst du meine Assistentin, als würden wir gemeinsam an einem schwierigen, verwickelten Fall arbeiten. Und jede Arbeit verlangt Aufmerksamkeit und Besonnenheit. Wenn du das, was geschieht, als Kinderspiel betrachtest, als Dschungelabenteuer, besteht die Gefahr, daß du das Wesentliche aus dem Auge verlierst. Verstehst du mich?«
    »Ja, ich verstehe Sie, Anastasija Pawlowna«, antwortete Dascha ernst. »Ich werde mich vorsichtig und korrekt verhalten. Wissen Sie, ich wollte Ihnen sagen . . . Ich liebe Sascha und erwarte ein Kind von ihm. Deshalb werde ich sehr vorsichtig sein. Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen.«
    Sie schloß leise die Tür des Hörsaales hinter sich, und Nastja Kamenskaja stand noch lange wie angewurzelt und starr vor Staunen da.
    3
    Igor Jerochin trat aus dem Restaurant auf die Straße und stürzte sofort wieder zurück ins Vestibül. Er preßte sich gegen die Wand und versuchte, sich zu beruhigen. Sein Herz klopfte wie verrückt. Wieder dieser Mensch! Dieses Mal war Igor ganz sicher, daß er sich nicht täuschte. In den letzten Tagen hatte er sein Gesicht mehrmals gesehen. Sollte es ein Bulle sein? Oder einer der Konkurrenten? Er mußte es herausfinden. Aber wie? Und die wichtigste Frage war: Sollte er Artjom unterrichten oder nicht?
    Er warf eine Münze in den öffentlichen Fernsprecher und wählte die Nummer von Viktor Kostyrja.
    »Kostyrja, ist bei dir alles in Ordnung?« fragte er so gleichmütig wie möglich.
    »Wie meinst du das?« erkundigte sich Kostyrja verständnislos.
    »Bist du sicher, daß du keinen Schatten hinter dir herziehst?«
    »Hundertprozentig«, entgegnete Kostyrja entschieden, »ich passe genau auf.«
    »Und Surik hat auch nichts dergleichen gesagt?«
    »Ich glaube nicht. Aber frag ihn selber. Was ist denn los?«
    »Nichts. Ich frage Surik. Mach’s gut.«
    Nachdem Jerochin den Hörer eingehängt hatte, trat er wieder auf die Straße und ging ohne Eile zu seinem grellroten Audi. Sollte dieser Mann ihn wirklich verfolgen? Und warum nur ihn? Oder wurden bereits alle beschattet, unter anderem auch Artjom selbst, und er, Igor, hatte es nur als erster bemerkt? Aber Kostyrja konnte man eigentlich glauben, denn als der Gierigste von allen war er sehr gewissenhaft und wachsam, er zitterte um jeden Dollar und hütete seinen Futtertrog wie seinen Augapfel. Wenn man ihn beschatten würde, wäre ihm das mit Sicherheit nicht entgangen. Womöglich ging es wirklich nur um ihn, Igor, vielleicht hatte er einen Fehler gemacht und deshalb die Beschattung auf sich

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