Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
ins Ausland reisen mußte und nicht mehr viel Zeit hatte . . . Die Abteilungsleiterin gab ihr verächtlich die Indikation zurück. Wir braten keine Extrawürste für Leute, die im Ausland herumreisen, meinte sie, die andern, die nicht reisen dürfen, müssen auch warten. Natürlich hätte Veronika Matwejewna sich an einen ihrer Institutskollegen wenden und um Vermittlung bitten können, alles wäre ihr recht gewesen, auch das schäbigste Krankenhaus, aber.. . Sie war zweiundvierzig Jahre alt und unverheiratet. Parteimitglied mit einwandfreiem Ruf. Sie schämte sich.
Sie fuhr schwanger in die Tschechoslowakei, und als sie nach zwei Monaten zurückkam, war es zu spät. Im fünften Monat war eine Abtreibung nicht mehr möglich.
Sie fand sich ab und begann sich sogar auf das Kind zu freuen. Aber die Erinnerung an den schrecklichen Tag der Zeugung ließ sie nicht los. Wieviel hatte sie damals getrunken? Eine ganze Flasche Wodka am Nachmittag, und abends, als Pawel zurückgekommen war, hatte sie noch eine zweite Flasche zusammen mit ihm geleert. Und wieviel hatte er getrunken? Sie erinnerte sich dunkel, daß er anschließend noch eine Flasche aufgemacht und ohne sie weitergetrunken hatte. Und womöglich war er ja bereits nicht mehr nüchtern gewesen, als er zu ihr gekommen war.
Sie machte sich in der Fachliteratur über die Folgeschäden bei Kindern kundig, die im Suff gezeugt wurden, schließlich wandte sie sich an die entsprechenden Fachärzte. Über ihr eigenes Problem ließ sie natürlich kein einziges Wort verlauten, sie täuschte rein professionelles Interesse als Ärztin vor. Man erklärte ihr alles ganz genau und detailliert, zeigte ihr die möglichen Mißbildungen an Modellen und Präparaten. Ihr standen die Haare zu Berge, nachts verfolgten sie Alpträume. Und währenddessen wuchs das Kind in ihrem Bauch und begann bereits, sich zu bewegen.
Als der Junge geboren war, betrachtete sie ihn immer wieder voller Sorge und Angst, suchte nach Anzeichen von geistiger oder körperlicher Behinderung. Aber Valerij war ein gesundes und erstaunlich gut geratenes Kind mit dichtem schwarzem Haar und dunkelblauen Augen. Vom ersten Moment an war ihr klar, daß er Pawel verblüffend ähnlich sah. Und sie begann zu beten, daß die Ähnlichkeit eine rein äußerliche bleiben möge.
Sie schleppte das Kind unentwegt zu Ärzten, beunruhigt durch das geringste Anzeichen von Krankheit. Sie hatte schreckliche Angst, daß er unentdeckte genetische Schäden in sich trug, und tat alles, um sein Leben so gesund wie möglich zu gestalten und so dem Ausbruch einer möglichen Erbkrankheit vorzubeugen. Sie fühlte sich schuldig vor ihrem Sohn. Denn sie hatte ihn in betrunkenem Zustand mit einem betrunkenen Mann gezeugt. Einem Mann, den sie nur ein einziges Mal in ihrem Leben gesehen hatte und von dem sie nur wußte, wie er hieß und wo er arbeitete. Und daß er ein Dieb war. Sie kannte seine Eltern nicht und konnte nicht ausschließen, daß er an irgendeiner Erbkrankheit litt. Manchmal wurden ihre inneren Qualen unerträglich. Hin und wieder kam sie sogar auf die Idee, Pawel zu suchen und ihn nach seiner Gesundheit zu fragen. Aber sie hielt sich zurück. Sie hätte seinen Anblick nicht ertragen können. Und erst recht konnte sie nicht zulassen, daß er von dem Kind erfuhr.
Es gab eine Zeit, da ihr etwas leichter war. Valerij war bereits sechzehn, er war ein ausgezeichneter Schüler, und sie konnte keinerlei Anzeichen eines ernsthaften Erbschadens an ihm bemerken. Alles scheint gutgegangen zu sein, dachte Veronika Matwejewna erleichtert, wenn sie die stattliche Figur und das schöne Gesicht ihre Sohnes betrachtete und jede Woche voller Stolz ihre Unterschrift in sein Hausaufgabenheft setzte, das immer strotzte vor Einsern. Aber die Freude währte nicht länger als ein Jahr. Eines Tages traf sie Pawel auf der Straße. Nachdem sie sich einige Minuten mit ihm unterhalten hatte, begriff sie, daß alles noch viel schlimmer war, als sie befürchtet hatte. Wenn Pawel nicht log, war er ein Psychopath mit ausgeprägten exhibitionistischen und nekrophilen Neigungen. Dieser Mann war der Vater ihres Kindes, und ihr war klar, daß er die Wahrheit sagte.
Pawel begann, Geld von ihr zu verlangen. Und es begannen die Umzüge von Wohnung zu Wohnung. Und die ständige Angst davor, daß Pawel sich ihrem Sohn zu erkennen geben könnte.
Pawel verhöhnte sie, zog ihr das Geld aus der Tasche, beleidigte und quälte sie. Aber sie ertrug es. Und jetzt, da Valerij
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