Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Drohbriefen nichts zu tun haben. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Nachdem Korotkow diese furchterregende Tirade von sich gegeben hatte, setzte er sich demonstrativ wieder an den Tisch, faltete die Hände vor sich und sah die Frau unverwandt an. Ihr Gesicht war aschfahl geworden, und ihre Lippen zitterten.
»Sie haben kein Recht, so mit mir zu sprechen«, sagte sie mit stockender Stimme. »Ich bin ein alter kranker Mensch, und Sie dringen in meine Wohnung ein und verlangen von mir Antworten auf Fragen, die ich mit niemandem zu diskutieren wünsche. Sie sollten sich schämen. Sie nützen Ihre Jugend und Ihre Energie aus, um mich zu Aussagen zu zwingen. Ich beende hiermit das Gespräch mit Ihnen.«
Sie drehte sich um und verließ das Zimmer, Korotkow allein zurücklassend. So eine Wendung im Geschehen hatte er nicht erwartet. Aber seine Verwirrung währte nicht länger als zwei Minuten. Er stand entschlossen auf und ging hinaus in den Flur.
»Veronika Matwejewna«, sagte er mit lauter Stimme. »Ich werde jetzt gehen, bitte schließen Sie die Tür hinter mir ab. Es tut mir sehr leid, daß zwischen uns kein Gespräch zustande gekommen ist, aber daran sind Sie selbst schuld. Vielleicht wird unsere nächste Begegnung fruchtbarer sein.«
Er drehte das Türschloß herum, öffnete die Tür und trat hinaus ins Treppenhaus. Auf der Straße sah er sich nach einem öffentlichen Telefon um und nach einem Platz, von dem aus man den soeben von ihm verlassenen Hauseingang gut im Blick hatte. Das Telefon fand er ziemlich schnell, und man versprach ihm, innerhalb von zwei Stunden zu klären, warum Turbin und seine Mutter vor einem Jahr in eine heruntergekommene Wohnung in einem sehr unvorteilhaften Stadtteil mit verschmutzter Luft umgezogen waren. Danach nahm er seinen Beobachtungsposten vor dem Haus ein und begann zu warten. Er hatte es noch nie mit einer siebzigjährigen Verdächtigen zu tun gehabt, er konnte ihr weiteres Verhalten nur schwer einschätzen und richtete sich deshalb auf eine längere Wartezeit ein. Wie auch immer, früher oder später würde etwas passieren.
* * *
Alexander Kamenskij nahm die Bitte seiner Halbschwester sehr ernst.
»Natürlich kenne ich die Firma ›Blaue Donau‹«, sagte er. »Und auch mit Bartosch hatte ich schon mehrmals in Bankangelegenheiten zu tun. Sag mir genau, worum es geht, ich werde versuchen, alles herauszufinden, was du wissen willst.«
Im Büro angekommen, sah er zuerst die sogenannte »unverbindliche Post« durch: Werbeprospekte, Einladungen zu Präsentationen und andere farbenprächtige Sendungen. In dem bunten Haufen Hochglanzpapier entdeckte er ziemlich schnell das, was er suchte. Die Einladung der »Intermed«-Gesellschaft zu einer Ausstellung für moderne Krankenpflege. An der Ausstellung nahmen etwa ein Dutzend Hersteller teil, unter denen sich auch die Firma »Blaue Donau« befand.
Er nahm den Telefonhörer ab und wählte mit einem nie dagewesenen Glücksgefühl seine Privatnummer, an die seine Finger sich noch nicht gewöhnt hatten, er wußte, daß sich im nächsten Moment die von ihm geliebte Frau melden würde, die Mutter seines zukünftigen Kindes.
»Dascha, wie fühlst du dich?« fragte er besorgt.
»Bestens«, erwiderte Dascha fröhlich. »Ich habe nur Sehnsucht nach dir. Komm bald nach Hause, ja?«
»Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Ich muß heute zu einer Ausstellung für moderne Krankenpflege. Willst du vielleicht mitkommen? In etwa einem Monat wirst du selbst Krankenpflege brauchen, und du könntest dich informieren und dir schon das eine oder andere aussuchen.«
»Aber Sascha, es sind doch nur ein paar Tage«, sagte Dascha lachend. »Außerdem ist eine Geburt keine Krankheit, sondern ein ganz natürlicher Vorgang im Leben einer Frau.«
»Keine Diskussionen, Dascha, meine Frau soll das Beste vom Besten haben, auch dann, wenn es sich nur um ein paar Tage handelt. Außerdem könntest du mich beraten. Ich muß mir die Produkte anschauen und entscheiden, ob es sich lohnt, Geld in sie zu investieren. Zieh dich schon mal an, in einer halben Stunde hole ich dich ab.«
Am Eingang zur Ausstellung überreichte Sascha einem Angestellten seine Karte und ging dann mit Dascha langsam von Raum zu Raum. Die beiden blieben vor jedem Stand stehen und betrachteten wählerisch Wärmflaschen der unwahrscheinlichsten Formen, Babyfläschchen mit Warmhaltevorrichtungen, antibakterielle Bettücher und Decken mit Feuchtigkeitsschutz. Ihr besonderes Interesse erregte
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