Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
hättest mich eben nicht heiraten dürfen.«
»Großer Irrtum, meine Liebe. Du hast meine geniale Idee einfach noch nicht durchschaut. Ich habe dich von mir abhängig gemacht, indem ich dir jahrelang das Einkaufen und Kochen abgenommen habe, dann habe ich dich in die Ehefalle gelockt, und jetzt rühre ich keinen Finger mehr. Ich lasse dich verhungern, und dann werde ich dein Erbe. So komme ich zu einer Wohnung in Moskau und heirate ein gutes Mädchen, mit dem ich hier leben werde. Die Wohnung in Shukowskij überlasse ich meinen Eltern. Was sagst du dazu? Ist das nicht ein großartiger Plan? Ich weiß, warum ich dich geheiratet habe. Hände weg!« rief er drohend aus, als er sah, daß Nastja den Deckel einer Pfanne angehoben und sich schnell ein knuspriges Stück Kalbfleisch herausgefischt hatte. »Leg das sofort wieder zurück!«
»Zu spät«, sagte Nastja mit vollem Mund. »Komm schon, begrabe endlich deinen Napoleon. Auf meinen Tod kannst du lange warten, du als Professor getarnter Mörder.«
Tschistjakow lachte, fuhr mit der Hand über die Karten auf dem Tisch und legte sie zu einem Stapel zusammen.
»Geh dir die Hände waschen, das tut nicht weh, und dann laß uns essen. Ich habe heute übrigens ein ganzes Kapitel für mein Lehrbuch geschrieben. Und was hast du über deinen Arbeitstag zu berichten?«
»Nicht viel«, sagte Nastja seufzend. »Im Grunde habe ich nur nachgedacht. Aber ich kann dich beruhigen. Der Drohbrief an mich ist reiner Zufall.«
Sie ging ins Bad, wusch sich die Hände, zog sich aus, schlüpfte in ihren bequemen Morgenmantel und setzte sich an den gedeckten Tisch in der Küche. Ljoscha hatte gebratenes Kalbfleisch und panierten Blumenkohl zubereitet, den Nastja mit Begeisterung aß. Sie leerte ihren Teller so schnell, als hätte sie seit einer Woche nichts mehr gegessen.
»Möchtest du noch mehr?« fragte Tschistjakow lächelnd, mit einem Blick auf ihren Teller.
»O nein, bitte nicht«, stöhnte sie. »Ich weiß, worin dein Plan besteht. Du willst mich nicht verhungern lassen, sondern zu Tode mästen. Niemandem außer dir gelingt es, so viel Nahrung in mich hineinzustopfen. In spätestens einem Jahr bin ich so dick, daß ich nicht mehr durch die Tür komme.«
Sie goß sich Kaffee ein, aber kaum hatte sie einen Schluck getrunken, läutete das Telefon. Am Apparat war Nikolaj Selujanow, mit dem Nastja in einer Abteilung arbeitete.
»Ich habe freudige Nachrichten für dich. Eben haben wir einen Anruf aus der Redaktion des ›Kriminalboten‹ bekommen. Einbruch im Fotolabor.«
»Und was wurde gestohlen?«
»Das ist bis jetzt unklar. An der Einrichtung scheint der Täter nicht interessiert gewesen zu sein, aber hinsichtlich der Filme und Fotos wissen wir noch nichts. Die haben dort natürlich keinerlei Ordner oder Karteien, alles liegt offen in Kisten und Schränken herum. Ein heilloses Durcheinander. Wir werden sämtliche Fotografen anrufen müssen, damit jeder von ihnen seine Laborbestände überprüft.«
»Rufe als ersten Schewzow an«, sagte Nastja. »Wenn seine Unterlagen komplett sind, geht uns die Sache nichts an. Wenn aber Schewzows Negative gestohlen wurden, ist es unser Fall.«
»Wie gescheit du bist«, brummte Selujanow. »Deinen Schewzow habe ich längst angerufen. Er ist krank und kann kaum einen Schritt gehen. Sollen wir ihn etwa ins Labor tragen? Er war natürlich erschrocken und wollte sofort losfahren, aber ich habe schließlich gehört, wie er atmet und spricht. Man kann ihm nicht zumuten, daß er sich ans Steuer setzt. Wenn ihm unterwegs schlecht wird, baut er womöglich einen Unfall. Ich dachte daran, ihn mit meinem Wagen abzuholen, aber dann habe ich es mir anders überlegt. Der Mann ist krank, und wir lassen ihn nicht in Ruhe. Warten wir bis morgen früh, vielleicht geht es ihm bis dahin besser.«
»Kolja, du kommst mir vor wie ein Kleinkind. Warum rufst du nicht jemanden an, der Schewzows Aufnahmen gesehen hat und an seiner Stelle nachschauen kann, ob alles noch da ist. Das ist doch die einfachste Sache der Welt.«
»Danke für den Tip. Aber es gibt nur drei Personen, die die Aufnahmen kennen. Eine von ihnen ist der kranke Fotograf, die zweite ist Korotkow, aber der ist weder zu Hause noch im Büro, noch sonstwo aufzutreiben. Und jetzt rate, wer die dritte Person ist.«
»Kolja, Tschistjakow wird dafür kein Verständnis haben. Wir sind seit vorgestern verheiratet, und bereits den ersten Tag unseres gemeinsamen Urlaubs habe ich heute im Büro verbracht. Ich kann
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