Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
eine Klatschbase«, erwiderte Tatjana mit scheinheiliger Miene, »aber da ich annehme, daß Sie Herrn Latyschew sehr gut kennen, sage ich es Ihnen: Sie ist die Tochter von Bartosch selbst. Marat hat große Hoffnungen in sie gesetzt.«
»Was Sie nicht sagen!« warf Dascha lebhaft ein. Ihr Mann hatte sie nicht in seine Absichten eingeweiht, aber sie war klug genug, um zu begreifen, daß es hier um mehr ging als um einen ganz gewöhnlichen Ausstellungsbesuch. Sie wußte nichts von dem zweiten Mord, nichts von Elena Bartosch, die diesen seltsamen Drohbrief erhalten hatte, aber ihr war klar, daß Sascha nicht zufällig hier war und nicht umsonst versuchte, diese hübsche Tatjana in ein Gespräch zu verwickeln, während er die anderen Firmenvertreter keines Blickes gewürdigt hatte. Wenn Sascha das Mädchen zum Sprechen bringen wollte, dann würde sie ihm helfen.
»Wie ist das möglich!« fuhr Dascha mit erstauntem Gesichtsausdruck fort. »Ein Mann wie Marat. Jedes Mädchen würde sich glücklich schätzen, seine Frau zu werden.«
Sie hatte diesen Marat nicht nur nie in ihrem Leben gesehen, sondern bisher nicht einmal seinen Namen gehört, aber Sascha hatte Tatjana schließlich gefragt, ob der neue Bräutigam noch schöner und noch reicher war als dieser Marat, und das hatte Dascha genügt, um den Gedanken ihres Mannes aufzugreifen und weiterzuspinnen.
»Übrigens sagt man nicht umsonst: Hochzeit im Mai bringt nur Schererei«, bemerkte Tatjana. »Die Hochzeit mit dem anderen hat nicht stattgefunden, so daß Marat wieder neue Hoffnung schöpfen kann.«
»Das mit dem Mai ist natürlich Unsinn«, protestierte Dascha entschieden. Zielsicher lenkte sie das Gespräch auf ein typisch weibliches Thema, wofür Alexander sie mit einem zärtlich-dankbaren Blick bedachte. »Wir haben auch im Mai geheiratet, noch dazu am dreizehnten, und wir werden lange und glücklich Zusammenleben. Und am selben Tag sterben.«
In Tatjanas Gesicht trat ein so fassungsloses Erstaunen, als würde in diesem Moment direkt vor ihren Augen ein Raumschiff mit Außerirdischen landen.
»Sie haben am 13. Mai geheiratet? Im letzten Jahr?«
»Nein, in diesem Jahr. Am letzten Samstag.
»Das kann nicht wahr sein!«
» Warum denn nicht?«
»Weil Bartoschs Tochter auch an vergangenen Samstag heiraten sollte. Was für ein Zufall. Nicht zu glauben.«
»Sie haben gesagt, daß die Hochzeit nicht stattgefunden hat. Warum denn nicht?« fragte Dascha anteilnehmend und scheinbar voller Mitgefühl für den abwesenden Marat Latyschew.
»Sie werden es nicht glauben! Im Standesamt wurde ein Mord begangen. Stellen Sie sich das nur einmal vor! Was für eine Tragödie. Natürlich kam die Miliz und begann, alle anwesenden Personen zu befragen. Geschrei, Tränen. Da ist einem dann nicht mehr nach Heiraten zumute.«
Dascha wollte etwas sagen, aber sie stieß auf einen warnenden Blick ihres Mannes und verstummte. Sie begriff, daß sie etwas für sich behalten mußte, nur wußte sie nicht, was, deshalb lenkte sie das Gespräch von der Hochzeit auf die Person des verschmähten Bräutigams.
»Aber mir scheint, Bartosch selbst hätte die Heirat zwischen seiner Tochter und Marat sehr begrüßt. Nicht wahr? Einen besseren Schwiegersohn hätte er sich doch gar nicht wünschen können.«
Saschas Gesichtszüge entspannten sich wieder, und Dascha begriff, daß sie dem Gespräch die richtige Wendung gegeben hatte. Sie hatte keine Ahnung, wovon die Rede war, sie kannte die Leute nicht, über die sie sprach, und konzentrierte sich nur darauf, nichts Falsches zu sagen. Wer wohl dieser Bartosch war? Und wer war Marat Latyschew? Sie überlegte, wie sie herausfinden könnte, wie die Tochter von Bartosch hieß, um Tatjana glauben zu machen, daß sie die Bartoschs tatsächlich gut kannte. Die Angst, einen Fehler zu begehen, trieb ihr ständig die Hitze ins Gesicht.
»Ich sage es Ihnen unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Marat hatte eine Freundin, die bei uns in der Werbeabteilung arbeitet. Sie hat mir erzählt, daß Marat schon lange ein Auge auf Elena geworfen hatte, schon seit der Zeit, als sie gerade den Schulabschluß machte. Istvan brachte zu allen geschäftlichen Anlässen seine Frau und seine Tochter mit, und Marat wich ihnen nicht von der Seite. Tamila war begeistert von ihm. Es war ihre Idee, Elena mit Latyschew zu verheiraten. Was hat sie nicht alles unternommen, um die beiden zusammenzubringen. Einmal hat sie ihre Tochter sogar in den Urlaub an den Balaton geschickt, zu
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