Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
ihrer Schwiegermutter, und Marat mußte sie begleiten, weil Elena nach ihrer Meinung jemanden an ihrer Seite brauchte, der Ungarisch spricht.«
Tamila. Elena. Istvan. Was waren das bloß für Namen? Dascha mußte aufpassen, um sie nicht durcheinanderzubringen. Istvan – das war wahrscheinlich dieser bewußte Bartosch. Elena mußte seine Tochter sein. Und Tamila? War das Bartoschs Frau?
»Und was geschah dann? Hat Marat sich unsterblich in Elena verliebt?« fragte sie mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt. Tatjana hatte offenbar völlig vergessen, daß sie dem Bankier Kamenskij gegenübersaß, sie sah nur noch eine junge Frau vor sich, mit der man über gemeinsame Bekannte klatschen konnte.
»Wo denken Sie hin!« sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Marat ist ein Frauenheld ohnegleichen. Es geht ihm nur ums Geld. Um seine Stellung in der Firma. Als Schwiegersohn des Chefs hätte er ausgesorgt. Die Bartoschs sind eine sehr wohlhabende Familie, ihr Vermögen geht bis auf Istvans Urgroßvater zurück. Der Name Bartosch ist eine Lebensversicherung, eine Garantie. Sie haben Geschäftsverbindungen in alle Welt, nicht wie die Neureichen, die außer der Türkei, Griechenland und Zypern nie etwas gesehen haben. Im Lauf von fast hundert Jahren hat die Familie keine einzige Niederlage erlitten, sondern ist immer nur reicher geworden.«
Sascha begann plötzlich zu lachen. Er begriff, daß sich hinter Tatjanas Schwatzhaftigkeit eine sehr geschickte Werbekampagne für die Firma verbarg. Sie spielte ihre Partie auf sehr weibliche Art, sie verpackte die Werbung in scheinbar unschuldigen, hohlen Klatsch. Aber wer Ohren hatte, der hörte: Die »Blaue Donau« war eine sehr solide Firma, es lohnte sich, Geld in sie zu investieren, denn seit ihrem Bestehen hatte sich noch nie etwas Unvorhergesehenes ereignet, die Firma hatte immer ihre Stellung auf dem Markt gehalten und noch nie einen Bankrott erlitten. Mehr noch, eine fast hundertjährige Tradition stand hinter dem Clan der Bartoschs, eine inzwischen westliche Businesskultur, die es erlaubte, erfolgreiche Geschäftsverbindungen mit den hochentwickelten Ländern Europas und Amerikas zu unterhalten. Gut gemacht, Tatjana, gut gemacht, Klatschbase! Denn wer würde eine derartige Firmenwerbung schon ernst nehmen, wenn sie im Klartext von einer hübschen jungen Frau mit ernster Miene vorgetragen würde! Aber wenn der Eindruck einer harmlosen Plauderei im Verbund mit scheinbar unabsichtlichen Versprechern entstand, würde jeder glauben, er hätte aus Versehen wertvolle Hintergrundinformationen über die Firma bekommen, die es ihm erlaubten, richtige Investitionsentscheidungen zu treffen. Mehr noch, derjenige, der es hörte, würde sich schrecklich schlau und gewieft Vorkommen, sich etwas einbilden auf seinen Scharfblick und seinen guten Riecher. Und folgerichtig, ohne es selbst zu bemerken, würde er anschließend positiv auf alles reagieren, was die Firma ihm offerierte. Es sah so aus, als würde die »Blaue Donau« die Dienste eines sehr begabten Psychologen in Anspruch nehmen. Alexander nahm sich vor, darüber nachzudenken, ob seine Bank diesem Beispiel folgen sollte.
»Lassen Sie uns zum geschäftlichen Teil kommen, meine Damen«, sagte er schließlich, nachdem er inzwischen alles erfahren hatte, was seine Halbschwester wissen wollte. »In welcher Zeit könnten Sie mit der Produktion der antibakteriellen Gewebe beginnen, wenn wir, angenommen, eine halbe Milliarde Dollar in das Geschäft investierten?«
Tatjana wurde augenblicklich ernst, griff nach einem elektronischen Minirechner, und ihre Finger begannen, sich flink über die Tastatur zu bewegen.
Kamenskij hatte sich wieder in einen Geschäftsmann verwandelt und diktierte Tatjana eine lange Reihe von Fragen, die er klären mußte, bevor er das Projekt dem Bankvorstand vorlegte. Dascha begann sich zu langweilen, sie erhob sich und begann erneut, die luxuriös gestalteten Stände zu betrachten.
Eine Stunde später rief Nastja Kamenskaja bei Nikolaj Selujanowan.
»Wir können der illustren Gesellschaft der Verdächtigen noch eine Figur hinzufügen«, teilte sie ihm mit. »Einen gewissen Marat Latyschew, den Geschäftsführer der Firma ›Blaue Donau‹. Ihm ist außerordentlich daran gelegen, daß Elena Turbin nicht heiratet. Er hatte nämlich selbst vor, sie zu ehelichen.«
»Woher weißt du das?«
»Das geht dich nichts an«, frotzelte Nastja. »Aber die Information ist verläßlich. Wo ist Korotkow?«
»Er ist
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