Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Probleme geben, Anastasija, das verspreche ich Ihnen«, sagte er. »Schließlich gehört das zu unserem Profil, zu unseren Aufgaben. Ich werde Sie sofort anrufen, sobald ich mit dem Redakteur gesprochen habe.«
Bereits nach einer halben Stunde rief er tatsächlich zurück.
»Alles in Ordnung«, verkündete er freudig. »Der stellvertretende Chefredakteur hat zugestimmt. Aber er hat auch eine Bitte an Sie.«
»Was für eine Bitte?«
»Er möchte, daß Sie uns ein Interview über den Vorfall im Standesamt geben.«
»Auf gar keinen Fall«, widersprach Nastja entschieden. »Das ist Ermittlungsgeheimnis.«
»Sie haben die Bitte falsch verstanden, Anastasija. Sie sollen das Interview nicht als Mitarbeiterin der Miliz geben, die mehr weiß als andere. Wir werden Sie als Zeugin interviewen, die sich zufällig am Tatort befunden hat. Die Tatsache, daß Sie bei der Kripo arbeiten, werden wir gar nicht erwähnen. Sie erzählen einfach, wie alles war, genau so, wie jeder andere der fünfzig Leute, die außerdem noch dort waren, es erzählen könnte.«
»Aber Sie waren auch dort«, entgegnete sie, »erzählen Sie es doch!«
»Das geht nicht«, erwiderte Anton mit einem Lachen. »Mit Mitarbeitern der Zeitung werden keine Interviews gemacht. Außerdem würde ich kein Honorar bekommen. Aber Sie bekommen eins.«
»Ich brauche kein Honorar.«
»Sie brauchen es vielleicht nicht, aber wir brauchen es. Wer wird denn für die Veröffentlichung des Fotos und des Steckbriefes bezahlen? Bei uns gibt es keinen einzigen kostenlosen Millimeter, wir sind ein kommerzielles Blatt. Anstatt von der Petrowka Geld zu verlangen, werden wir Ihr Interview abdrucken, Ihnen ein Honorar bezahlen, und Sie retournieren es an unsere Kasse. Damit sind dann unsere Dienste für Sie bezahlt. Haben Sie mich jetzt verstanden?«
»Sehr schlau! Warum seid ihr denn so geldgierig? Es handelt sich schließlich um die Aufklärung eines Mordfalles.«
»So ist es nun einmal. Finanzdisziplin. Sind Sie einverstanden?«
»Was bleibt mir anderes übrig.«
»Dann werde ich unserem Berichterstatter Ihre Telefonnummer geben, er wird Sie anrufen und ein Treffen mit Ihnen vereinbaren. Vielleicht treffen wir uns sogar zu dritt, er wird sie interviewen, und ich werde währenddessen ein paar Fotos von Ihnen machen. Ich fange schon morgen wieder an zu arbeiten.«
Nach dem Telefonat mit Schewzow ging Nastja in Gedanken noch einmal die Vorgänge vom letzten Samstag durch, um sich klar zu machen, was sie sagen konnte und worüber sie schweigen mußte. Es war nicht ausgeschlossen, daß das Interview dem Mörder zu Gesicht kam, und man mußte aus der Situation alles herausschlagen, was herauszuschlagen war.
* * *
Jura Korotkow wechselte schon zum dritten Mal den Bus, während er Veronika Matwejewna Turbina folgte. Sie hatte etwa eine Dreiviertelstunde nach seinem Weggehen das Haus verlassen, und jetzt folgte er ihr, ohne zu wissen, wohin und warum überhaupt. Es war eine komplizierte und lange Strecke, aber die Frau kannte sie offenbar gut, denn sie hielt kein einziges Mal inne und fragte niemanden nach dem Weg. Sie fuhr in Richtung Ljuberez, und Korotkow wunderte sich, warum sie nicht die S-Bahn nahm, sondern die überfüllten Busse, die sie ständig zum Umsteigen zwangen.
Endlich näherte sie sich einem Haus, das ihr Ziel zu sein schien. Nachdem sie im Eingang verschwunden war, wartete Jura eine Weile, dann öffnete er vorsichtig die Tür und blickte ins Innere. Ein scharfer Geruch nach Katzen, Urin und Alkohol stieg ihm in die Nase. Die abgeschabten, mit obszönen Kritzeleien und Zeichnungen bedeckten Wände wären eine Freude für das Auge eines zukünftigen Ethnographen gewesen, denn sie gaben einen umfassenden Einblick in den inoffiziellen Wortschatz und die graphische Symbolik der Zeit. Korotkow schlich sich leise die Treppe hinauf bis zum obersten Stockwerk, unterwegs betrachtete er die Wohnungstüren. Die Anzahl der an den Türpfosten befestigen Klingelknöpfe besagte, daß es sich bei den meisten Behausungen um Gemeinschaftswohnungen handelte. An jeder Tür lauschte er eine Weile, um an den Stimmen im Innern zu erkennen, wo gerade ein Gast eingetroffen war. Aber er hatte kein Glück. Nichts gab Auskunft darüber, in welcher der Wohnungen Veronika Matwejewna verschwunden war.
Korotkow ging wieder nach unten, betrat die Straße und machte sich auf den Weg zum nächsten Revier der Miliz.
SECHSTES KAPITEL
Veronika Matwejewna sah haßerfüllt in das gedunsene, rot
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