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Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Titel: Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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angelaufene Gesicht des Mannes, der vor ihr saß. Er war wesentlich jünger als sie, aber sein vom Alkohol zerstörtes Gesicht mit dem schon halb zahnlosen Mund ließ ihn um mindestens zehn Jahre älter wirken als er war.
    »Hast du es mitgebracht?« fragte er mit brüchiger Tenorstimme, ohne seinen Blick von der Handtasche der Frau abzuwenden.
    »Ja, ich habe es mitgebracht«, sagte sie trocken. »Wenn du nur endlich sterben würdest, Pascha. Ich habe keine Kraft mehr.«
    Der Mann verzog hämisch sein Gesicht, die Anstrengung, etwas Boshaftes zu sagen, ließ Speichel aus seinem zahnlosen Mund sprühen. Ein Tropfen landete auf dem Ärmel des Kleides von Veronika Matwejewna. Mit einem Ausdruck unverhohlenen Ekels wischte sie ihn ab.
    »Was willst du denn, du Schöne, was verziehst du dein Gesicht?« begann Pascha mit widerlicher Ganovenstimme zu singen. »Ich habe dir ein Söhnchen der Extraklasse gemacht, und jetzt zierst du dich. Damals hast du dich nicht geziert.«
    »Halt den Mund«, unterbrach ihn die alte Frau grob. »Sag mir lieber, wo du am Samstag warst.«
    »Wieso? Bist du etwa hier gewesen und hast mich gesucht? Ich war hier, wo hätte ich sonst sein sollen! Ab und zu gehen wir zum Saufen raus in den Wald, aber sonst bin ich immer hier, das weißt du.«
    »Wie könnte ich dir glauben, Pascha?« sagte Veronika Matwejewna mit einem Seufzer. »Du hast doch längst dein Gewissen versoffen, und deinen Verstand auch. Sag mir ehrlich, hast du es getan?«
    »Was soll ich getan haben?« fragte er mit aufrichtigem Erstaunen. »Wovon redest du?«
    »Bist du am Samstag in Moskau gewesen?«
    »Nein, verdammt. Wie oft soll ich es dir noch sagen. Du bist wie eine Klette. Am Samstag hat Valerij geheiratet, stimmt’s?«
    »Nein, er hat nicht geheiratet, Pascha. Zum Glück hat er nicht geheiratet.«
    »Warum denn das? Ist ihm die Braut durchgebrannt?«
    »Das geht dich nichts an. Ich sage dir nur eins: Ich brauche keine Mißgeburten von Enkeln. Lieber gar keine als solche, die sind wie du.«
    »Wie nett wir sind, sieh einer an. Ein so zuckerfeines Söhnchen, warum sollten die Enkel da schlechter werden? Erinnere dich mal an dich selbst! Warst du damals etwa eine Bilderbuchschönheit? Als alte Jungfer habe ich dich genommen, wer hätte dich haben wollen mit deiner schäbigen Fresse und deinen krummen Beinen. Du warst zweiundvierzig, und ich war zwanzig Jahre jünger, gesund und stark wie ein Baum. Wenn an Valerij was dran ist, dann stammt es von mir und nicht von dir. Nicht umsonst hat so ein Mädchen ein Auge auf ihn geworfen.«
    »Was für ein Mädchen?« Veronika Matwejewnas Stimme war plötzlich heiser geworden. »Woher weißt du, was für ein Mädchen das ist?«
    »Ich hab sie gesehen«, erwiderte Pascha mit dreistem Grinsen, das seine letzten, verfaulten Zahnstummel entblößte. »Einen Hintern hat die . . . Und die Titten . . . Beste Sahne. Da würde ich auch gern mal naschen.«
    »Pascha, du hast mir doch versprochen . . . du solltest Gott fürchten«, murmelte Veronika Matwejewna. »Ich tue doch alles, was du von mir verlangst, ich werde dir auch weiterhin Geld geben, nur rühr den Jungen nicht an.«
    »Rühr den Jungen nicht an, rühr den Jungen nicht an . . . Was liegst du mir damit ständig in den Ohren? Er ist auch mein Sohn, merk dir das! Wenn ich will, rühre ich ihn an. Du hast mir nichts zu befehlen, du alte Schabracke. Ich muß schließlich auch an mich selbst denken. Morgen oder übermorgen beißt du ins Gras, und wer wird dann für meinen Unterhalt sorgen? Mein Sohn natürlich. Wer sonst?«
    Er lehnte sich in dem schäbigen alten Stuhl zurück und grinste Veronika Matwejewna unverschämt ins Gesicht. Sie sah ihn voller Bitterkeit an und erinnerte sich der unseligen Stunde, als . . . Jetzt tat sie alles, damit ihr Sohn nie erfahren sollte, was für einen Vater er hatte. Sie enthielt sich selbst und Valerij das Nötigste vor, um Pascha regelmäßig das Geld bringen zu können, das er von ihr verlangte, sie kürzte an allen Ecken und Enden das ohnehin armselige Haushaltsbudget und dachte täglich mit Schrecken daran, daß dieser kriminelle Trunkenbold plötzlich vor ihrem Sohn erscheinen könnte. Die Tatsache, daß er Elja gesehen hatte, bedeutete, daß er seinem Sohn insgeheim nachspionierte. Und wenn Valerij ein Mädchen aus einer wohlhabenden Familie heiraten würde, käme unweigerlich der schreckliche Tag: Pascha würde auf seinen Anteil nicht verzichten. O Gott im Himmel, wenn er nur sterben

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