Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
würde!
»Genug! Gib das Geld her, und dann kannst du dich trollen«, sagte Pascha großmütig. »Oder willst du noch irgendwas?«
»Ja, ich will noch etwas«, erwiderte Veronika Matwejewna unerwartet schroff. »Ich will deine widerliche Fresse nie wieder sehen, du Bastard.«
»Übernimm dich nicht!« fauchte er. »Schau dir deine eigene Fresse an. Du brauchst nur abzukratzen, dann siehst du mich nie wieder. Beeil dich ein bißchen, ich werde dich selbst waschen und einkleiden für den letzten Gang, ich bin schließlich Fachmann für diese Dinge und weiß noch sehr gut, wie das geht.«
»Würdest du nur meinen Namen für immer vergessen und meine Adresse, du Schweinehund. Du hast mir mein Blut ausgesaugt, du hast mein ganzes Leben vergiftet. Wofür hat Gott mich nur so gestraft!«
Die Frau sah den Vater ihres Sohnes haßerfüllt an und begann zu weinen, ohne ihr Gesicht mit den Händen zu bedecken. Sie wünschte sich den Tod, und gleichzeitig fürchtete sie sich davor, zu sterben. Denn sobald dieses Ungeheuer kein Geld mehr von ihr bekäme, würde es sich mit Sicherheit an seinen Sohn heranmachen. Und der Junge würde so einen Schlag nicht verkraften.
* * *
Der Milizionär auf dem Revier, zu dem das Haus gehörte, in dem Veronika Matwejewna verschwunden war, war ein sympathischer junger Bursche mit blonden Wimpern und einem jungenhaften Lächeln. Korotkow hatte zwei Stunden lang auf ihn warten müssen.
»Kolja, ich brauche Angaben zu allen Personen, die in diesem Haus wohnen«, sagte Korotkow und reichte dem Milizionär den Zettel mit der Adresse.
»Zu allen?« fragte Kolja nach. »Alle Wohnungen in diesem Haus sind Gemeinschaftswohnungen. Die Anzahl der Bewohner ist beträchtlich.«
»Heute ist eine Frau in diesem Haus gewesen, eine Veronika Matwejewna Turbina. Ich muß wissen, wen sie besucht hat. Hast du vielleicht eine Ahnung?«
»Turbina, Turbina . . .« wiederholte Kolja nachdenklich. »Nein, diesen Namen habe ich nie gehört. Wir müssen alle Bewohner durchgehen.« Er holte einen Ordner aus dem Safe und entnahm ihm eine Liste mit den Namen der Bewohner des besagten Hauses. Kein einziger Name sagte Korotkow etwas.
»Wir machen es anders«, schlug der Milizionär vor. »Wir unternehmen jetzt einen Wohnungsrundgang in dem Haus und klären, wer heute Besuch bekommen hat. Alles weitere wird sich dann finden. Kommen Sie mit?«
»Nein. Die Turbina kennt mich, ich habe mich gerade erst heute mit ihr unterhalten. Geh allein, machst du das?«
»Klar mach ich das. Was für eine ist denn diese Turbina?«
»Eine alte, siebzigjährige Frau, klein, mager, mit einem grauen Haarknoten. Heute trägt sie ein dunkelblaues Kleid, einen grauen Mantel und ein helles Kopftuch.«
Jura blieb auf dem Revier, während der junge Milizionär losging, um den Hausbewohnern eine herzzerreißende Geschichte darüber zu erzählen, daß am heutigen Tag ein Mädchen auf der Straße überfallen und ausgeraubt worden war und daß der Täter sich ausgerechnet in diesem Haus versteckt hatte. Er kehrte nach etwa anderthalb Stunden zurück und teilte Korotkow mit, daß die alte Frau den zweifach vorbestraften Alkoholiker Pawel Smitijenko besucht hatte. Sie überprüften Smitijenkos Daten in der Meldekartei, fanden aber nichts, was von Interesse hätte sein können. Was konnte er mit Veronika Matwejewna zu tun haben?
»Was weißt du über diesen Typ?« fragte Korotkow.
»Ein Säufer. Er arbeitet nicht, trinkt nur.«
»Woher hat er das Geld dafür, wenn er nicht arbeitet?«
»Sie stellen vielleicht Fragen«, sagte der Milizionär mit einem Lachen. »Früher, als Nichtstuerei noch strafbar war, konnte man herausbekommen, wer für welches Geld trank. Aber heute interessiert das niemanden mehr, es gibt kein Gesetz mehr, das Nichtstuerei verbietet.«
»Über die Gesetze brauchst du mir nichts zu erzählen, die kenne ich nicht schlechter als du. Aber als Reviermilizionär mußt du über die Leute in deinem Revier Bescheid wissen.«
»Wo denken Sie hin, Jurij Viktorowitsch«, empörte sich Kolja. »Als hätte ich keine anderen Sorgen! Ich schaffe es kaum, die Familienstreitigkeiten im Zaum zu halten, damit einer den anderen nicht umbringt, und mit diesen Kiosken rundum lebe ich wie auf einem Pulverfaß, von einer Schutzgeldeintreibung zur nächsten. Smitijenko ist ein harmloser Mensch, er trinkt zwar, aber er richtet keinen Schaden an.«
»Woher weißt du, daß er keinen Schaden anrichtet, wenn du dich nicht um ihn kümmerst?«
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