Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
zu Turbins Mutter gefahren und seitdem verschwunden.«
»Was heißt verschwunden?«
»Keine Angst, so meine ich das nicht. Er hat angerufen und wollte, daß wir feststellen, wann und wie oft die Turbins ihren Wohnort gewechselt haben. Ich habe ihm versprochen, das in zwei Stunden zu klären. Die zwei Stunden sind längst vergangen, aber ich habe nichts von ihm gehört. Vielleicht steckt er bei seiner Ludmila.«
»Mitten in der Arbeitszeit? Ist er etwa verrückt geworden?« erkundigte sich Nastja ungläubig.
Aber im Grunde war Selujanwos Vermutung gar nicht so weit her geholt. Vor über drei Jahren hatte Korotkow sich wieder einmal verliebt, aber diesmal schien es sich um eine ernstere Angelegenheit zu handeln. Vielleicht lag es daran, daß Ludmila selbst einmal als Ermittlerin gearbeitet hatte und ihn deshalb besser verstand als jede andere Frau, seine Ehefrau eingeschlossen. Mit ihr konnte er seine dienstlichen Angelegenheiten besprechen, er bekam von ihr qualifizierte Ratschläge, und wenn er sie um Hilfe bat, konnte er sicher sein, daß sie alles richtig machen würde. Vielleicht lag es aber auch daran, daß Korotkow Ludmila liebte, während er sich in alle anderen vorher immer nur verliebt hatte. Aber wie dem auch sei, er würde sich nicht am hellichten Tag mit ihr treffen, wenn er behauptete, dienstlich unterwegs zu sein. Korotkow war ein sehr disziplinierter Mensch, und wenn er vorhatte, sich in der Hektik seines Arbeitstages eine Atempause zu gönnen, sagte er immer jemandem Bescheid, der ihn deckte. In der Regel war das Nastja, und wenn Oberst Gordejew, der Chef, Korotkow dringend suchte, erklärte ihm Nastja mit unschuldigem Blick, daß Korotkow gerade angerufen hätte und in einer Stunde zurück sein würde. Danach rief sie Jura unter der hinterlassenen Telefonnummer an und gab ihm das Zeichen. »Fahr los, die Stunde läuft.« Und außerdem hatte Ludmila nicht nur zwei Söhne, sondern auch noch einen Ehemann, so daß die Treffen zwischen ihr und Korotkow immer langwieriger Vorbereitung bedurften und meist nur dann stattfinden konnten, wenn Ludmilas Mann verreist war und die eheliche Wohnung zur Verfügung stand.
»Sobald er wieder auftaucht, soll er mich bitte anrufen, ja?« sagte Nastja.
»Ich werde es ihm ausrichten«, versprach Selujanow.
»Gibt es Neuigkeiten über den Einbruch im Fotolabor?«
»Bis jetzt nicht. Alle Fotografen wühlen im Labor herum und durchsuchen ihre Unterlagen, um festzustellen, ob auch bei ihnen Negative verschwunden sind.«
»Das können sie sich sparen. Ich bin überzeugt davon, daß nur Schewzows Negative gestohlen wurden. Ein flinker Bursche, mit dem wir es da zu tun haben.«
»Von wegen wir. Ihr solltest du sagen«, bemerkte Nikolaj giftig. »Du feierst deinen Urlaub, und wir reißen uns hier ein Bein aus. Wassja Kudin hat völlig recht: Du kannst nicht einmal heiraten wie andere Leute, bei dir muß es selbst auf der Hochzeit eine Leiche geben.«
»Ihr seid selber schuld«, parierte Nastja, »ewig habt ihr mir in den Ohren gelegen, daß ich heiraten soll. Und jetzt paßt es euch wieder nicht. Ist die Fahndung nach der Frau auf dem Foto eingeleitet?«
»Versteht sich. Wir haben schon etwa zwanzig Anrufe bekommen, aber bis jetzt hat keiner was gebracht. Hör mal«, sagte Nikolaj plötzlich lebhaft, »wir könnten den ›Kriminalboten‹ für unsere Zwecke einspannen. Die sind jetzt unsere besten Freunde. Sie könnten das Foto der Frau und einen Steckbrief veröffentlichen.«
»Na siehst du, Kolja, du kannst ja, wenn du willst. Du mußt dir nur ein bißchen Mühe geben. Eine sehr gute Idee.«
»Aber sprich du mit ihnen.«
»Ich? Warum denn ich?«
»Als wir letzte Nacht die Negative im Fotolabor gesucht haben, war da so ein Typ, der dich ständig angestarrt hat. Der hat einen Narren an dir gefressen. Es war der Stellvertreter des Chefredakteurs. Du hast alle Chancen bei ihm.«
»Erzähl keinen Unsinn, Selujanow. Gib zu, daß du einfach keine Lust zum Anrufen hast.«
»Wenn ich anrufe, muß ich bitten. Aber du hast dort deinen Bekannten Schewzow, du kannst es über ihn machen, das ist einfacher. Abgemacht, Nastja?«
»Überredet«, sagte sie seufzend, »gegen dich ist kein Kraut gewachsen.«
Anton Schewzow ging es spürbar besser. Heute klang seine Stimme wesentlich lebhafter, von Atemnot war fast nichts mehr zu bemerken. Er erklärte sich sofort bereit, den stellvertretenden Chefredakteur anzurufen und die Sache mit ihm zu besprechen.
»Es wird keinerlei
Weitere Kostenlose Bücher