Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Ich möchte nicht ohne Zeugen mit ihr sprechen.«
Anton stellte den Motor ab und verließ zusammen mit Nastja das Auto.
Das Mädchen stürzte auf Nastja zu.
»Anastasija Pawlowna, Sie müssen mir helfen!«
An ihrem geröteten Gesicht und den entzündeten Augen war zu erkennen, daß sie geweint hatte.
»Was ist passiert?« fragte Nastja kühl, während sie auf sie zuging.
»Sergej ist verschwunden. Man hat ihn bis zur Gerichtsverhandlung gegen Kaution freigelassen, und er ist verschwunden. Was soll ich nun tun?«
»Nichts. Was geht Sie das an? Gegen Sie läuft ein Verfahren wegen Falschaussage, aber Sie sind ja nicht verschwunden. Warum regen Sie sich so auf?«
» Sie verlangen Geld von mir.«
»Wer verlangt Geld von Ihnen und wofür?«
»Die Kautionssumme, mit der sie Sergej ausgelöst haben. Nun, da er verschwunden ist, wollen sie das Geld von mir haben. Aber woher soll ich so viel Geld nehmen?«
»Um wieviel handelt es sich denn?«
»Um fünfzigtausend.«
»Fünfzigtausend was? Rubel?«
»Nein, wo denken Sie hin! Dollar natürlich. O mein Gott, Anastasija Pawlowna, helfen Sie mir bitte, Sergej zu finden!«
Larissa schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
»Hören Sie auf, Larissa«, sagte Nastja ungehalten. »Beruhigen Sie sich. Ihren Sergej wird ohnehin die Miliz suchen, wenn er tatsächlich verschwunden ist. Ich kann Ihnen leider nicht helfen. Gehen Sie nach Hause.«
»Aber sie müssen mir helfen!« Das Mädchen war so verzweifelt, daß es beinahe schrie.
»Sie müssen mir helfen! Das alles ist doch durch Sie gekommen. Sie sind an allem schuld!«
»Was meinen Sie damit?« Nastja hob erstaunt die Augenbrauen. Die Szene begann ihr lästig zu werden.
»Wenn Sie uns damals nicht belauscht hätten . . . dann wäre nichts passiert. Jetzt verlangen sie diese wahnsinnige Geldsumme von mir und drohen damit, daß sie mich umbringen werden, wenn ich sie nicht beschaffe. Das ist alles Ihre Schuld!«
Larissa hatte inzwischen die Hände vom Gesicht genommen und schluchzte jetzt ganz unverhohlen. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, sie hatte eine rote Nase und unschöne Flecken auf den Wangen.
»Das sind Sie!. . . Nur Sie!. . . Sie sind an allem schuld! Helfen Sie mir bitte, ich flehe Sie an . . . Sie werden mich umbringen. Mich und Sergej. Retten Sie uns!«
»Gehen Sie nach Hause, Larissa«, sagte Nastja und trat einen Schritt zur Seite, aber Larissa klammerte sich am Ärmel ihrer Jacke fest.
»Warten Sie, Sie können nicht einfach so gehen . . . Haben Sie denn kein Herz?«
Nastja befreite sich demonstrativ von dem Zugriff des Mädchens und ging ins Haus. Anton, der die ganze Zeit über schweigend daneben gestanden hatte, folgte ihr, obwohl sie ihn nicht darum gebeten hatte. Wortlos fuhren sie im Lift nach oben und betraten die Wohnung.
»Hallo«, sagte Tschistjakow fröhlich. »Warum seht ihr so düster aus?«
»Nur so«, erwiderte Nastja unbestimmt. »Legen Sie ab, Anton, lassen Sie uns eine Kleinigkeit essen. Ich lasse Sie für einen Moment allein, ich muß kurz telefonieren.«
Sie ging mit dem Telefon in der Hand ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
»Konstantin Michailowitsch, ich bin es. Wissen Sie, daß Artjuchin verschwunden ist?«
»Nein, noch nicht. Ist er wirklich verschwunden?« erkundigte sich Olschanskij gelassen.
»Ich habe eben mit der Samykina gesprochen, sie behauptet es.«
»Und die Samykina selbst ist an Ort und Stelle?«
»Ja, sie ist hier.«
»Dann ist es ja gut. Ich ermittle wegen Falschaussage gegen sie, und Artjuchins Fall habe ich dem Gericht übergeben. Das haben sie nun davon, daß sie ihn gegen Kaution freigelassen haben. Ich war dagegen, aber sie haben nicht auf mich gehört.
Wahrscheinlich hat der Richter ein hübsches Schmiergeld eingesteckt.«
»Heißt das, daß den Fall jetzt niemand weiterverfolgt? Daß Artjuchin einfach so verschwunden bleiben darf?«
»Das kommt darauf an. Weißt du, Nastja, da es Freilassung gegen Kaution bei uns erst seit kurzem gibt, kennt sich damit noch niemand so richtig aus, niemand weiß, wie man so etwas kontrolliert. Vielleicht besinnt sich der Richter plötzlich und will Artjuchin sehen, um sich mit ihm zu unterhalten, vielleicht wird die Miliz aktiv und beginnt zu überprüfen, wie er sich verhält, ob er die Bedingungen der Freilassung gegen Kaution einhält. Bei der Miliz trifft man ja auch ab und zu auf so etwas wie Pflichtbewußtsein. Es kann aber auch sein, daß sich bis zur Gerichtsverhandlung
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