Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
überhaupt nichts tut. Das ist schwer vorherzusehen. Aber ich werde den Richter natürlich in Kenntnis setzen. Worüber hast du denn mit der Samykina gesprochen?«
»Die Leute, die die Kaution für Artjuchin vorgestreckt haben, verlangen jetzt, da er verschwunden ist, das Geld von Larissa. Und die Samykina kommt zu mir gelaufen und drückt nach allen Regeln der Kunst auf die Tränendrüse.«
»Sie ist der Meinung, daß du an allem schuld bist?«
»Ja, natürlich.«
»Macht nichts, achte nicht darauf, das kriegen wir schon hin. Du bist im Urlaub, erhole dich in aller Ruhe. Wie bekommt dir das eheliche Dasein?«
»Ausgezeichnet. Besser, als ich dachte.«
»Dann wollen wir hoffen, daß es auch weiterhin so bleibt.«
Anton machte sich wieder auf den Weg, Nastja warf sich ihre Jacke um und begleitete ihn nach unten.
»Anastasija, tut Ihnen das Mädchen wirklich kein bißchen leid?« fragte er, während er vor seinem grellgelben Auto stehenblieb.
»Nein«, erwiderte sie zurückhaltend.
Eigentlich war sie mit ihm nach unten gegangen, um sich noch einmal über die Sache zu unterhalten, aber jetzt hatte sie plötzlich keine Lust mehr.
»Warum denkt sie denn, daß Sie irgendeine Schuld haben an ihrer Situation?«
»Weil ich bewiesen habe, daß ihr Freund eine Frau vergewaltigt hat.«
»Eine seltsame Logik«, schmunzelte Anton. »Und Sie wissen tatsächlich nicht, wie man ihr helfen könnte?«
»Doch, natürlich weiß ich es. Man müßte sämtliche Moskauer Privatdetektive einschalten und sie dafür bezahlen, daß sie Artjuchin schneller finden als die Miliz. Denn sonst ist das Geld natürlich futsch.«
»Und warum haben Sie Ihr diesen Rat nicht gegeben?«
»Weil ich bei der Miliz arbeite und nicht in einer Privatdetektei.«
»Und könnten Sie selbst ihn finden?«
»Wohl kaum.« Nastja zuckte mit den Schultern. »Ich habe so etwas noch nie gemacht und weiß nicht, wie man da vorgeht. Für so etwas gibt es bei uns Spezialabteilungen und ausgebildete Fachleute.«
»Sie tut mir trotzdem leid«, seufzte Anton. »Sie hat so geweint, man konnte es kaum mit ansehen.«
»Tatsächlich? Und ich habe gesehen, wie das Mädchen geweint hat, das von Artjuchin vergewaltigt wurde. Dieses Mädchen hat mir leid getan.«
Anton schwieg eine Weile, dann lächelte er.
»Entschuldigen Sie bitte, ich glaube, ich habe eine Dummheit gesagt.«
Sie verabschiedeten sich herzlich und freundschaftlich, aber aus irgendeinem Grund fühlte Nastja sich unwohl. Sie ging schnell ins Haus, ohne zu warten, bis Anton weggefahren war.
* * *
Am nächsten Morgen um elf rüttelte Ljoscha Nastja, die noch fest schlief, unsanft wach. Sie war sehr spät ins Bett gegangen, der Gedanke an das Ehepaar, das vor zwei Monaten den Drohbrief erhalten hatte, hatte sie nicht losgelassen.
»Nastja, Schewzow ist am Telefon. Es sind noch mehr Leute aufgetaucht, die Drohbriefe bekommen haben.«
Nastja war sofort hellwach. Sie sprang auf und ergriff den Telefonhörer, den Ljoscha ihr hinhielt.
»Heute morgen haben schon vier Leute angerufen«, berichtete Anton. »Eine der Frauen hat den Drohbrief bereits vor einem halben Jahr erhalten.«
»Verdammt noch mal!« entfuhr es Nastja. »Warum läßt er uns denn nicht in Ruhe!«
»Wer?«
»Der Mörder. Kaum hat sich mein Gehirn auf eine Hypothese eingestellt, passiert etwas, das das Bild wieder von Grund auf verändert.«
»Offenbar ist es ein schlauer Mörder«, lachte Anton, »er schafft es, sogar jemanden wie Sie auszutricksen. Haben Sie irgendwelche Anordnungen für mich?«
»Das hängt davon ab, ob Sie Zeit haben, mich zu fahren.«
»Aber das ist doch gar keine Frage, Anastasija«, ereiferte sich Schewzow, »natürlich habe ich Zeit. Ich werde alles tun, was nötig ist. Das alles geht ja auch mich etwas an.«
»Inwiefern?«
»Man hat mich doch bestohlen, haben Sie das vergessen? Insofern habe auch ich ein blutiges Interesse an der Entlarvung des Mörders. Und außerdem habe ich das ermordete Mädchen gesehen, die Kartaschowa, und ihren Bräutigam. Wissen Sie, so leicht vergißt man so etwas nicht. Für Sie ist es wahrscheinlich einfacher, Sie sind an solche Bilder gewöhnt.«
Zwei Stunden später unterhielten sie sich bereits mit der sympathischen jungen Julia, die allein zu Hause war, weil man ihr an ihrem Arbeitsplatz für das Gespräch mit der Miliz freigegeben hatte.
»Wissen Sie, ich war damals nicht im geringsten erstaunt«, gab sie ehrlich zu. »Ich hatte damals drei Freunde gleichzeitig und habe
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