Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
trinke ich keinen, aber für Gäste ist immer welcher da.«
Anton brachte auf dem Tablett Tassen, eine Zuckerdose, Instantkaffee und einen Kessel mit heißem Wasser ins Zimmer.
»Möchten Sie etwas essen? Ich kann Ihnen Brot, Käse und Kekse anbieten.«
»Gern«, sagte Nastja mit einem dankbaren Lächeln. »Ich sterbe vor Hunger. Sie retten mich wieder einmal. Darf man bei Ihnen rauchen?«
»Aber selbstverständlich. Rauchen Sie, wo und so viel Sie wollen«, rief er ihr aus der Küche zu. »Der Aschenbecher steht auf dem Tisch.«
Nastja ging langsam durchs Zimmer und trat hinaus auf den Balkon. Sie bemerkte, daß auch hier vorbildliche Ordnung herrschte. Guter Gott, wann würde sie es endlich einmal schaffen, ihre eigene, völlig zugemüllte Loggia aufzuräumen? Sie setzte sich auf den Stuhl, der auf dem Balkon stand, und steckte sich eine Zigarette an.
Anton kam mit belegten Broten und einer Schale Kekse ins Zimmer.
»Anastasija!« rief er laut. »Es ist angerichtet.«
Sie schnippte ihre angerauchte Zigarette über das Balkongeländer und kehrte ins Zimmer zurück.
»Sie sind so blaß«, bemerkte Anton, während er heißes Wasser in die Tasse mit dem Instantkaffee goß. »Sind Sie müde?«
»Ein wenig.«
»Es ist wahrscheinlich nicht sehr angenehm, seinen Urlaub auf diese Weise zu verbringen. Besonders gleich nach der Hochzeit.«
»Nein, nein, es ist schon in Ordnung.«
Nastja nippte an dem Kaffee und nahm sich ein belegtes Brot. Das Brot war ganz frisch, der Käse von der teuren Sorte.
»Das passiert mir nicht zum ersten Mal«, sagte sie. »Einmal machte ich Urlaub in einem Sanatorium, und ausgerechnet in dieser Zeit wurde dort ein Mord begangen. Anstatt mich kurieren zu lassen, mußte ich mich wieder mit Mord und Totschlag beschäftigen. Wahrscheinlich kann ich einfach nicht Urlaub machen, ich langweile mich. Mein Kopf muß immer etwas zu tun haben, nur dann geht es mir gut.«
»Ich mache sehr gern Urlaub. Abschalten, an nichts denken, nichts tun. Ab und zu muß der Mensch abschalten, sonst hält er den Alltag nicht aus.« Anton lächelte. »Aber ich bin kein Maßstab, ich habe die Psychologie eines Herzkranken. Der Arzt hat mir Ruhe verordnet, und ich halte mich daran. Ich glaube an die Ärzte. Und Sie?«
»Ich nicht. Das heißt, ich glaube natürlich auch an sie, aber ich mache trotzdem, was ich will.«
Nastja kippte den inzwischen schon erkalteten Kaffee hinunter und erhob sich.
»Danke, Anton. Es wird Zeit für mich.«
»Ich fahre Sie nach Hause.« Anton sprang ebenfalls auf.
»Nein, nein, nicht nötig, ich nehme die Metro. Ich mißbrauche ständig Ihre Hilfsbereitschaft und habe sowieso schon Schuldgefühle.«
»Hören Sie auf, Nastja.« Er nannte sie zum ersten Mal nicht Anastasija, sondern einfach Nastja. »Wir sind doch Freunde, und zwischen Freunden wird nicht gerechnet. Ich fühle mich wohl in Ihrer Gesellschaft, und Sie sind viel zu müde, um mit der Metro fahren.«
Nastja war wirklich müde, sie wollte sich nicht wehren und gab nur zu gern nach.
* * *
Stepaschka erfüllte gewissenhaft sein Versprechen. Zuerst rief er Larissa Samykina an und anschließend gleich den Schönling namens Shenja.
»Unsere Kleine ist rührig, sie unternimmt die nötigen Schritte«, berichtete er. »Gestern war sie sogar bei der Kamenskaja und wollte sie dazu bringen, daß sie ihr bei der Suche nach Artjuchin hilft.«
»Bei wem war sie?« Shenja verschluckte sich beinah. »Bei der Kamenskaja von der Kripo?«
»Ja, sicher, genau bei der, die Sergej ans Messer geliefert hat.«
»Diese Idiotin!« heulte Shenja auf. »Hast du denn keine Augen im Kopf? Warum hast du das nicht verhindert?«
»Was ist denn los?« fragte Stepaschka beleidigt. »Warum schreist du so?«
»Begreifst du denn nicht, wer diese Kamenskaja ist? Verdammt noch mal, bist du so blöd, oder tust du nur so?«
»Wer ist sie denn?«
»Erinnerst du dich daran, daß man vor zwei Monaten Trofims heißgeliebten Enkel erschossen hat?«
»Ja, ich erinnere mich. Und was weiter?«
»Die Kamenskaja hat den Mörder gefaßt, und seitdem ist Trofim ihr bester Freund.«
»Nun übertreib es nicht, ihr bester Freund wird er schon nicht gleich sein.«
»Ich übertreibe nicht. Wenn die Kamenskaja sich bei Trofim darüber beschwert, daß wir das Mädchen wegen Artjuchin am Wickel haben, hat unser letztes Stündchen geschlagen. Dann fliegt sofort die ganze Geschichte auf. Wir reißen uns den Hintern auf, damit Trofim nichts davon erfährt, daß wir
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