Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
geblieben. Ich habe mir den Katalog angesehen und eine grandiose Landschaftsaufnahme darin entdeckt. Ich wollte das Foto ersteigern und dir schenken. Und du . . . Nie klappt etwas mit dir.«
»Verzeih mir, Liebster.«
Sie fühlte sich schuldig. Zärtlich strich sie ihrem Mann durchs Haar und rieb ihre Nase an seiner Schulter. Ljoscha steuerte das Auto schweigend durch die Straßen, er sah enttäuscht aus.
»Bitte, Ljoschenka, verzeih mir. Ich bin eben zu nichts zu gebrauchen. Was kann man da machen?«
»Nichts kann man da machen«, sagte Tschistjakow düster. »Oder soll ich mich jetzt etwa von dir scheiden lassen?«
* * *
Am nächsten Morgen stellte sich heraus, daß die Redaktion des »Kriminalboten« noch weitere vierzehn Anrufe von Frauen erhalten hatte. Nastja schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
»Kannst du dir vorstellen, wie viele von diesen Drohbriefen im Umlauf sind?« sagte sie zu Ljoscha, der seinen Ärger vom Vortag wieder vergessen hatte. »Es haben ja nur die angerufen, die den ›Kriminalboten‹ lesen. Oder Bekannte, die von den Drohbriefen wissen, haben den Artikel gelesen. Aber wie viele Briefe sind es in Wirklichkeit? Unvorstellbar, was diese Kreatur anrichtet.«
Korotkow und Selujanow waren von diesen Neuigkeiten wie gelähmt.
»Willst du vielleicht wieder zum Dienst kommen?« fragte Jura verzagt. »Du arbeitest doch sowieso, anstatt Urlaub zu machen. Willst du deine Ferien nicht unterbrechen?«
»Aber wenn ich sowieso arbeite, anstatt Urlaub zu machen, was für einen Unterschied macht es dann?«
»Einen sehr großen sogar. Wenn du offiziell arbeitest, kann ich ohne Schuldgefühle zu dir kommen und im Befehlston von dir verlangen, daß du mir Ratschläge erteilst. Aber so komme ich mir vor wie ein armer Verwandter, der mit ausgestreckter Hand vor deiner Tür steht und um Brot bettelt. Das ist mir peinlich.«
»Hör auf!« sagte sie ärgerlich. »Du redest Unsinn. Du weißt auch ohne meine Ratschläge sehr gut, was du zu tun hast. Hast du die Standesämter angerufen?«
»Habe ich gemacht. Weißt du, was die mir gezeigt haben?«
»Ja, ich ahne es, den Vogel. Und was schlagen sie statt dessen vor?«
»Sie sind bereit, uns die Listen derer zu geben, die in den letzten drei Jahren geheiratet haben, und derer, die das Aufgebot bestellt haben. Diese Listen haben sie im Computer. Vergleichen müssen wir selbst.«
»Bestens«, sagte Nastja erfreut, »so ist es sogar einfacher.«
»Was soll daran einfacher sein?« fragte Korotkow grimmig. »Kannst du dir vorstellen, wie lang diese Listen sind?«
»Das spielt keine Rolle, und wenn sie noch tausendmal länger wären. Wir brauchen nur zusätzlich zu den gedruckten Listen die entsprechenden Disketten. Den Rest mache ich zu Hause auf meinem Computer. Ich schreibe ein Programm, das dauert höchstens eine halbe Stunde, und dann wirft der Computer von selbst die Namen aus, die in der einen Liste vorhanden sind und in der anderen fehlen.«
»Nastja, du bist ein As!« erwiderte Korotkow erfreut. »Und du sagst, daß ich ohne dich auskomme. Davon kann keine Rede sein. Du wolltest mir übrigens sagen, wozu du diese Listen brauchst. Was hast du denn ausgeheckt?«
»Ich weiß nicht, Jura, vielleicht ist das alles Schwachsinn, aber mir kam die Idee, daß wir es vielleicht mit einem psychisch kranken Täter zu tun haben und daß dieser Täter vielleicht eine Frau ist. Vielleicht ist ihre Hochzeit im letzten Moment geplatzt, und sie ist verrückt geworden. Sie hat angefangen, Bräute zu hassen und ihnen Drohbriefe zu schreiben. Inzwischen ist die Krankheit so weit fortgeschritten, daß sie zur Mörderin geworden ist.«
Nastja traf sich erneut mit Anton und fuhr mit ihm alle Adressen ab, unter denen die neu aufgetauchten Opfer des Unbekannten zu finden waren, der sich so unermüdlich im epistolarischen Genre erging. Ein Teil der Frauen hatte den Drohbrief aufbewahrt, und alle glichen sie aufs Haar denen, die sie bereits gesehen hatten.
»Wissen Sie, ich war davon überzeugt, daß den Brief mein Sohn geschrieben hat«, sagte eine der Frauen. »Ich wußte, daß er gegen meine Heirat war.«
»Warum? Mochte er Ihren zukünftigen Mann nicht?«
»Nein, darum ging es nicht. Er hat nur eine sehr starke Bindung an seinen Vater und hat immer gehofft, daß wir wieder Zusammenkommen.«
»Haben Sie Ihren Sohn gefragt, ob er den Brief geschrieben hat?«
»Nein. Ich hatte Angst davor, mit ihm über diese Dinge zu sprechen. Ich habe so getan, als sei nichts
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