Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
neuen Pass steht. Wir könnten natürlich eine Fahndung nach ihm einleiten, aber . . .«
»Irritiert dich etwas?«, fragte Gordejew.
»Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob Sauljak wirklich der Henker ist. Ich würde ihn gern finden und mit ihm sprechen.«
»Worüber denn?«, erkundigte sich Gordejew mit erhobenen Augenbrauen. »Willst du ihn fragen, ob er vier Menschen umgebracht hat? Er wird dir sagen, dass er es nicht getan hat. Und was weiter?«
»Mir würde schon etwas einfallen, worüber ich mit Pawel reden könnte. Zum Beispiel über Rita Dugenez. Ich wüsste schon, wie ich mit ihm sprechen müsste, um meinen Verdacht zu überprüfen. Verstehen Sie doch, Viktor Alexejewitsch, wenn Sauljak wirklich der Henker ist und wenn es mir gelingt, ihn nach Moskau zu locken, bevor er seinen nächsten Mord begeht, würden wir wenigstens ein Menschenleben retten. Vier Menschen hat er bereits auf dem Gewissen, und nach meiner Schätzung stehen noch drei weitere auf seiner Liste.«
»Und du glaubst auch zu wissen, wo er die nächsten Morde begehen wird?«
»Ja, ich glaube, ich weiß es. Aber es wird uns nicht gelingen, drei riesige Regionen zu kontrollieren. Zumal ich davon überzeugt bin, dass der Henker sich nicht länger als vierundzwanzig Stunden an den Orten aufhält, an denen er die Morde begeht. Er sitzt irgendwo abseits, dann fährt er in die entsprechende Stadt, macht schnell sein Opfer ausfindig, tötet es und kehrt sofort zurück zu seiner Basis. Wenn wir alle drei Regionen abriegelten, würden wir dann nicht eine schwarze Katze in einem dunklen Zimmer suchen? Eine Katze, die gar nicht da ist?«
»Und was schlägst du vor?«
»Man könnte es mit einer Fotografie versuchen. Wir haben Fotos von Sauljak in unserer Kartei. Man könnte versuchen herauszufinden, ob ihn jemand mit einem seiner Opfer gesehen hat. In der Zentralkartei befinden sich seine Fingerabdrücke, man hat sie ihm vor zwei Jahren nach seiner Verhaftung abgenommen. Man müsste seine Fingerabdrücke mit denen vergleichen, die an den Tatorten gefunden wurden. Und vor allem muss man herausfinden, woher er seine Opfer kennt. Woher er weiß, dass sie es waren, die die Morde begangen haben. Wenn wir das herausfinden, werden wir auch erfahren, wer noch davon weiß. Dann müssen wir uns mit diesen Leuten in Verbindung setzen und sie dazu bringen, uns die Namen der nächsten drei Opfer zu nennen. Dann sind wir am Ziel. Aber für das alles braucht man viel Zeit, Viktor Alexejewitsch. Deshalb möchte ich mir etwas einfallen lassen, das Pawel Einhalt gebietet und ihn zwingt, nach Moskau zu kommen. Und wenn wir so weit sind, dass wir die potenziellen Opfer schützen können, lassen wir ihn wieder laufen. Soll er sich dann auf den Weg machen, um seinen nächsten Mordplan in die Tat umzusetzen. Wir werden ihn auf frischer Tat ertappen, und dann entkommt er nicht mehr.«
»Gar nicht dumm«, sagte Gordejew. »Ganz und gar nicht dumm. Deine Idee gefällt mir. Aber sie hat einige Haken. Und wenn er nun doch nicht der Henker ist?«
»Durchaus möglich«, stimmte Nastja zu. »Aber das ändert nichts am Prinzip. Wir müssen mit allen Mitteln versuchen, den Henker zu stoppen, solange wir seine potenziellen Opfer nicht kennen. Wer immer er ist. Aber wenn es doch Sauljak ist, dann weiß ich, was ich tun muss, damit er nach Moskau kommt. Wenn er es nicht ist, müssen wir uns den Kopf noch einmal neu zerbrechen.«
»Warum willst du eigentlich keine Fahndung nach ihm einleiten?«
»Weil ich es für möglich halte, dass er die Informationen über seine Opfer von einem Mitarbeiter der Miliz bekommen hat. Dieser Milizionär würde Pawel natürlich warnen und ihm helfen, unterzutauchen. Und wir haben ja bis jetzt noch nichts gegen ihn in der Hand. Weder Beweismittel noch irgendwelche Zeugenaussagen. Nehmen wir an, man wird ihn fassen und mit einem Begleitposten nach Moskau bringen. Und was dann? Wir können ihm nichts nachweisen, es gibt nur die vagen Vermutungen und Verdächtigungen in meinem Kopf. Und sollte er einen Komplizen haben, wird dieser mit Sicherheit genau in der Zeit, in der Pawel in Moskau ist, den nächsten Mord begehen, um den Verdacht von Sauljak abzulenken. Das ist die ganze Weisheit.«
»Ich weiß nicht, Kindchen«, sagte Gordejew unsicher. »Im Prinzip gefällt mir alles, was du sagst, es hat einen vernünftigen Kern. Aber etwas macht mir Sorgen, große Sorgen.«
»Was denn?«
»Kommst du nicht selbst darauf?«
»Doch, Viktor Alexejewitsch.
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