Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
aus den Händen, und der dritte sagte leise, aber sehr deutlich:
»Sie werden jetzt mit uns fahren müssen.«
»Wohin geht denn die Reise?«, erkundigte sich Wladislaw. Er ahnte bereits, wohin sie ging.
»Es ist nicht sehr weit«, sagte einer der Typen mit einem widerwärtigen Lächeln. »Und ich rate Ihnen, keinen Widerstand zu leisten.«
»Aus welchem Grund sollte ich mit Ihnen fahren?«
Vor Stassows Augen erschien ein Dienstausweis mit dem magischen Wort »Spionageabwehrdienst«. Mit denen war in der Tat nicht gut Kirschen essen. Da war es besser, sich zu fügen.
Stassow folgte ihnen ergeben zu einem in einiger Entfernung parkenden Wagen. Derjenige, der seinen Dienstausweis gezeigt hatte, setzte sich ans Steuer, Wladislaw wurde auf den Rücksitz gedrängt und zwischen zwei kräftigen, muskulösen Körpern eingeklemmt. Die Fahrt dauerte tatsächlich nicht lange. Nach einer Viertelstunde hielt der Wagen vor einem hohen Backsteingebäude. In Begleitung der drei schweigsamen Fremden erreichte Stassow den fünften Stock und betrat eine Wohnung. Man stieß ihn sofort in ein geräumiges, hell erleuchtetes, teuer eingerichtetes Zimmer, in dem er einen gut aussehenden, schlanken, etwa fünfzigjährigen Mann erblickte, der ihn mit einem spöttischen Blick musterte.
»Ich habe mir gedacht, es ist besser für Sie, wenn ich Sie von Ihrem aufwendigen Job erlöse. Es muss doch nicht sein, dass Sie sich so viel Mühe machen, ständig hinter mir herfahren und so viel Benzin dafür verbrauchen. Es ist doch viel vernünftiger, wenn wir uns endlich kennen lernen und die Dinge klären. Setzen Sie sich und erzählen Sie mir, aus welchem Grund Sie mich beschatten.«
»Geht es nicht stehend?«, fragte Stassow gelassen.
Sofort packten ihn vier Hände und drückten ihn in einen Sessel. Er war so niedrig und weich, dass keine Möglichkeit bestand, sofort wieder aufzuspringen. Stassow war knapp zwei Meter groß, und die Knie seiner langen Beine stießen fast an sein Kinn.
»Es geht auch stehend«, sagte General Minajew mit unverändert spöttischem Lächeln. »Aber sitzend haben Sie es bequemer. Wie kommt es eigentlich, Herr Oberstleutnant, dass Sie, obwohl Sie schon so lange bei der Miliz arbeiten, die einfachsten Regeln Ihrer Arbeit nicht kennen? Wer hat Ihnen erlaubt, einen Mitarbeiter des Spionageabwehrdienstes zu beschatten?«
»Sie irren sich«, sagte Stassow und versuchte, sich zu erinnern, ob er die nötigen Papiere bei sich hatte. Aber sie mussten alle da sein. Er hatte gewusst, dass er jeden Augenblick in diese Situation geraten konnte, und deshalb hatte er sich gewappnet.
»Inwiefern irre ich mich?«
»Ich beschatte keine Mitarbeiter des Spionageabwehrdienstes.«
»Was sollen diese Spielchen? Machen Sie sich nicht lächerlich, Oberstleutnant.«
»Sie irren sich schon wieder. Ich bin kein Oberstleutnant, und ich arbeite auch nicht bei der Miliz.«
»Heißt das, dass Sie ein fremdes Auto fahren?«
»Nein, natürlich nicht. Es ist mein eigenes. Soll ich Ihnen meine Papiere zeigen?«
Stassow wollte in seine Jackentasche greifen, aber einer der drei Männer hielt seine Hand fest.
»Keine unnötigen Bewegungen, Wladislaw Nikolajewitsch«, sagte Minajew. »Wir werden uns Ihre Papiere selbst nehmen und anschauen.«
Er nickte unmerklich, und sofort riss eine geschickte Hand die Brieftasche aus Stassows Tasche.
»Was haben wir denn da, Igor?«, fragte Minajew ungeduldig.
»Die Autopapiere lauten auf seinen Namen. Der Besitzer des Wagens ist Wladislaw Nikolajewitsch Stassow.«
»Da haben wir es, Wladislaw Nikolajewitsch. Warum belügen Sie denn die Behörden?«, fragte Minajew vorwurfsvoll.
»Ich belüge niemanden. Ich arbeite bereits seit einem halben Jahr nicht mehr bei der Miliz. Ich bin in Pension gegangen.«
Stassow grinste innerlich. Der Amtsschimmel hatte den Herren einen Streich gespielt. Sie hatten seine Identität anhand seiner Autonummer durch die Verkehrspolizei festgestellt. Und in der Personalabteilung des Innenministeriums hatte man es natürlich verbummelt, der Verkehrspolizei zu melden, dass er nicht mehr bei der Kripo arbeitete. In den Unterlagen der Verkehrspolizei wurde er immer noch als Oberstleutnant der Miliz geführt. Und das würde so bleiben, bis er eines Tages ein neues Auto brauchen würde. Bei der Neuanmeldung würde er natürlich angeben, wer er war und welchen Beruf er jetzt ausübte. Aber bis dahin würde noch viel Wasser die Moskwa hinunterfließen.
»Wenn Sie also nicht mehr bei der
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