Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
mit Begeisterung in jedes Abenteuer, wenn es ihm nur Gewinn versprach. Heute spann er seine Intrige im Interesse einer Gruppe, die einen der Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hatte. Hinter dieser Gruppe stand ein mächtiges kriminelles Finanzvolumen, und der Präsidentschaftskandidat würde im Fall seiner Wahl zumindest für die nächsten vier Jahre dafür sorgen, dass keine Gesetze verabschiedet wurden, die dem Kapital dieser Gruppe schaden konnten. Jedenfalls würden die Steuer- und Zollvergünstigungen vor allem denjenigen zufallen, die dieses Kapital kontrollierten.
Der Kandidat hatte bereits seine Mannschaft zusammengestellt, die wichtigsten Minister und den Vorsitzenden der Zentralbank. Wenn dieser Mann an die Macht kommen und die entsprechenden Posten mit seinen Leuten besetzen könnte, würden sie im Laufe von vier Jahren alles an sich reißen können, was sie nur wollten. Nur eine Kleinigkeit störte bei alledem: Sowohl die Gruppe als auch der Präsidentschaftskandidat selbst hatten bis vor einiger Zeit aktive Beziehungen zu General Bulatnikow unterhalten. In den Regionen des Landes, die sie zu Zentren des illegalen Waffen- und Drogenhandels gemacht hatten, hatten sie ihre eigenen Leute an die Macht bringen und sämtliche wichtigen Posten bei der Armee, den Ämtern für Inneres und der Staatsanwaltschaft mit den entsprechenden Leuten besetzen müssen. Doch zu diesem Zweck hatten erst diejenigen verschwinden müssen, die diese Posten bisher eingenommen hatten. In dieser heiklen Angelegenheit waren die Dienste des General Bulatnikow unentbehrlich gewesen.
Alle personellen Veränderungen hatten, sozusagen, ordnungsgemäß stattgefunden, sämtliche Schlüsselpositionen waren von eigenen Leuten besetzt worden, woraufhin Bulatnikow überflüssig und gefährlich geworden war. Natürlich hatte man ihn beseitigt. Aber der engste Mitarbeiter des Generals war ihnen durch die Lappen gegangen. Das hatte sie damals nicht besonders beunruhigt, denn die Tatsache, dass er sich in einem Straflager versteckt hatte, bedeutete, dass er Angst hatte. Und da er Angst hatte, würde er niemandem ans Leder gehen, solange man ihn selbst in Ruhe ließ. Mit dieser Feststellung hatten sie sich damals begnügt.
Vor einiger Zeit jedoch hatte Grigorij Valentinowitsch erfahren, dass die Anhänger des amtierenden Präsidenten sich für den ehemaligen Mitarbeiter des Generals zu interessieren begonnen hatten. Und das missfiel Tschinzow über alle Maßen. Das, was Pawel Sauljak wusste, war dazu geeignet, einen Großteil sämtlicher Präsidentschaftskandidaten aus dem Feld zu schlagen, unter anderem natürlich auch den, für dessen Mannschaft Tschinzow selbst im Moment arbeitete. Es war klar, dass Sauljak vom Erdboden verschwinden musste. Tschinzow, der sich, wie gewöhnlich, auf seine Beziehungen zum Ministerium für Inneres verlassen hatte, war sehr enttäuscht gewesen, nachdem er sich dort an zwei, drei alte Bekannte gewandt hatte. Nach dem Geiseldrama von Budennowsk im Juni war der Innenminister abgesetzt worden und der neue Minister hatte seine eigene Mannschaft mitgebracht, zu der Tschinzow keinen Zugang hatte. Der neue Minister stammte nicht aus den Reihen der Miliz, sondern aus dem Militär, und Grigorij Valentinowitsch besaß keinerlei kompromittierendes Material gegen ihn. Er hatte nur eines tun können. Herausfinden, in welchem Straflager Sauljak sich befand und wann er entlassen wurde. Zum Entlassungstermin hatte er seine Leute nach Samara geschickt, aber nun waren unerwartete Schwierigkeiten aufgetreten. Erstens waren seine Leute nicht die einzigen, die Pawel in Samara erwartet hatten. Vor dem Lager war irgendein Unbekannter aufgetaucht, der ganz offensichtlich ebenfalls an ihm interessiert war, und im Hotel hatte man einen Zweiten entdeckt, der ihm ständig auf den Fersen blieb. Aber vor allem war diese Frau aufgetaucht, ganz offensichtlich eine Verwandte von Sauljak, vielleicht seine Ehefrau. Diese Frau hatte Tschinzows Plan völlig durcheinander gebracht, und nun musste er abwarten, bis die Lage sich klärte.
So jedenfalls hatten sich die Dinge Tschinzow noch bis gestern Abend dargestellt. Inzwischen war er dabei, seine Strategie noch einmal zu überdenken. Der amtierende Präsident hatte angekündigt, dass er in nächster Zeit alle Maßnahmen ergreifen würde, um die ausstehenden Gehälter und Renten an die Bevölkerung auszahlen zu können. Ganz klar, der Präsident hatte nur drei Ansatzpunkte, die er im Wahlkampf
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