Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
Notizblock hervor und riss ein Blatt heraus.
»Ausgezeichnet«, sagte der Mann. »Machen Sie ein kleines Tütchen daraus.«
Er holte das dunkle Fläschchen wieder aus seiner Hosentasche, nahm den Kunststoffdeckel ab und füllte das kleine Tütchen mit Tabletten.
»So. Ich rate Ihnen, das nächste Mal nicht zu warten, bis der Anfall seinen Höhepunkt erreicht hat. Sobald Sie die ersten Anzeichen bemerken, schieben Sie sich sofort eine Tablette unter die Zunge. Wie beginnen diese Anfälle bei Ihnen? Wird Ihnen plötzlich heiß?«
»Ja«, sagte Jurzew überrascht.
»Und gleich danach setzt Schüttelfrost ein, richtig?«
»Richtig.«
»Das ist typisch. Bei mir ist es genauso. Ich habe es schon seit vier Jahren«, seufzte der Mann.
»Sagen Sie, wie oft wiederholt sich so etwas?«
»Das kommt darauf an. In stickiger Luft und in überfüllten Räumen kann es jede halbe Stunde auftreten. Aber normalerweise passiert es mir einmal im Monat oder sogar noch seltener. Es hängt vom Wetter ab, von der nervlichen Belastung, vom Arbeitsstress. Aber haben Sie keine Angst. Nehmen Sie gleich eine Tablette ein, und alles wird in Ordnung sein.«
»Danke«, sagte Jurzew voller Wärme und erhob sich vom Sessel. »Sie haben mich richtiggehend gerettet.«
»Keine Ursache«, winkte der Mann ab. »Ich freue mich, dass ich Ihnen helfen konnte.«
Jurzew kehrte in den Saal zurück und begann sofort Ausschau nach dem Mann zu halten, mit dem er heute Abend noch sprechen musste. Es war nicht einfach, in dem Gedränge nach ihm zu suchen, aber Oleg Iwanowitsch schritt langsam den Raum ab, nach allen Seiten nickend, hin und wieder wechselte er ein paar Worte mit Bekannten. Endlich hatte er den Gesuchten gefunden und kam problemlos mit ihm ins Gespräch. Es ging um einen Kredit zu vergünstigten Bedingungen, aber der Bankier erwies sich als außergewöhnlich hartnäckig. Oleg Iwanowitsch legte sich ins Zeug und ließ seinen ganzen Charme spielen, aber offenbar war er voreilig gewesen mit dem Gespräch, der Bankier hatte doch noch nicht genug getrunken. Plötzlich wurde ihm wieder heiß, er hatte das Gefühl, dass es im Raum unerträglich stickig war.
Ich muss wieder die Medizin einnehmen, fuhr es ihm durch den Kopf, und zwar sofort, bevor diese schrecklichen Schmerzen wieder kommen.
Er entschuldigte sich bei dem Bankier, entfernte sich und holte das kleine Tütchen mit den Tabletten hervor. Schnell, dachte er, schnell, es fängt schon an . . .
Er wollte das Tütchen wieder einstecken, aber aus irgendeinem Grund griffen seine Finger immer daneben und konnten die Hosentasche nicht finden. Jurzew bekam plötzlich keine Luft mehr, sein Kopf begann sich zu drehen, die Tabletten fielen ihm aus der Hand, er griff panisch nach dem Krawattenknoten an seinem Hals. Alles verschwamm vor seinen Augen, er machte eine ungeschickte Handbewegung und schlug der neben ihm stehenden Dame das Sektglas aus der Hand. Dann wurde es endgültig dunkel um ihn.
* * *
Der Mann, der in General Minajews Liste an fünfter Stelle stand, aß aus Anlass seines zwanzigsten Hochzeitstages mit seiner Frau im Metropol zu Abend. Garik Asaturjan, der sich der Unterstützung einer befreundeten Kellnerin versichert hatte, wartete geduldig auf die Gelegenheit, sein Opfer, Leonid Isotow, Abgeordneter der Staatsduma, für einen Moment unter vier Augen zu sprechen. Die Kellnerin hatte versprochen, Garik ein Zeichen zu geben, wenn Isotow den Speisesaal verlassen würde, um zur Toilette zu gehen oder vielleicht zum Telefon in der Halle. Er hatte Isotow der Kellnerin gezeigt, und diese war bereit, ihn notfalls unter einem Vorwand aus dem Speisesaal zu locken. Garik selbst hatte sich in eine Ecke zurückgezogen, von der aus er den Eingang zum Restaurant nicht sehen konnte, aber auch er selbst war hier unsichtbar.
Es war jedoch nicht nötig, einen Trick anzuwenden, Isotow stand von selbst auf, um zur Toilette zu gehen. Die Kellnerin stürzte durch den Dienstausgang zu Asaturjan, der mucksmäuschenstill in seiner Ecke saß.
»Er kommt«, sagte sie und eilte sofort wieder davon.
Garik sprang auf und ging Isotow schnellen Schrittes entgegen. Er folgte ihm auf die Toilette, wartete, bis er die Kabine wieder verlassen hatte, und berührte ihn vorsichtig an der Schulter.
»Leonid Michailowitsch, kann ich Sie kurz sprechen?«
»Was, direkt hier?«, fragte der Abgeordnete und zog unwillig seine Augenbrauen hoch.
»Es muss ja nicht hier sein. Lassen Sie uns hinausgehen in die Halle.«
Sie
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