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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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oder?«
    »Wer hat Ihnen bloß diesen Unsinn erzählt, Irina? Wie kann man glauben, was die Leute so reden? Herrje, Irina, Sie sind doch eine seriöse Frau . . .«
    »Ich bin eine seriöse Frau«, unterbrach sie ihn kalt, »und darum glaube ich nicht, was die Leute so reden. Ich glaube an das, was Zahlen und Dokumente erzählen.«
    »Was für Zahlen, was für Dokumente?«, stammelte der Auftraggeber. »Großer Gott, Irina, was reden Sie da?«
    »Das ist nicht Ihre Schuld.« Sie lächelte plötzlich. »Die meisten von Ihnen denken, wir seien zu nichts nütze, sitzen uns hier nur den Hintern platt. Würden Sie und Ihresgleichen sich mal die Mühe machen, unsere Arbeit zu lesen, wüssten Sie, wie viel wir können. Und würden sich jetzt nicht wundern.«
    »Das können Sie nicht beweisen«, sagte der Auftraggeber fest. »Vielleicht stimmt ja alles, was Sie sagen, aber Sie haben dafür keine Beweise.«
    »Ich habe auch nicht vor, etwas zu beweisen«, antwortete sie gleichgültig. »Ich will, dass Sie Ihre Perspektive klar sehen. Wenn Ihr Name ins Gerede kommt, dann wird man sich auf jeden Fall für Ihre Tätigkeit damals interessieren. Und finden, was ich gefunden habe. Ihnen kann das wenig anhaben, Sie kündigen rasch und gehen in die Wirtschaft, das machen heute alle so. Ihr jetziger Posten ist doch geradezu lächerlich. Sie werden fünfmal, wenn nicht zehnmal so viel verdienen wie jetzt. Kurzum, Sie haben nichts zu verlieren. Aber die Sache hat einen interessanten Haken. Unter denen, die Sie damals für die widerrechtliche Einstellung von Strafverfahren bezahlt haben, sind zwei Leute, die inzwischen ziemlich weit oben sitzen. Die beiden Akten fehlen in den Archiven, Sie haben vorsichtshalber dafür gesorgt, dass sie vernichtet wurden. Sie wurden angeblich gestohlen, und die Archivarin wurde abgemahnt. Aber zu diesen beiden Fällen wurden damals im Informationszentrum Karteikarten angelegt, daran haben Sie nicht gedacht. Und auf diesen Karteikarten stehen der Name des Untersuchungsführers und der Name des Beschuldigten. Das ist Ihnen zu spät eingefallen. Als Sie die Karten entfernen ließen, existierten bereits Fotokopien davon. Wenn Sie also in einen Skandal verwickelt werden, dann werden diese beiden Männer in erster Linie darunter leiden. Und das werden sie Ihnen nicht verzeihen.«
    »Und wenn es keinen Skandal gibt?«, fragte er mit spröden Lippen. Alles, was sie sagte, war die Wahrheit. Das war dem Auftraggeber sehr wohl bewusst. »Es könnte doch sein, dass Ihr Buch erscheint und gar nichts passiert?«
    »Das wird nicht geschehen, das garantiere ich Ihnen. Ich betreue Doktoranden, zwei haben das Promotionsverfahren bereits hinter sich. Auch jetzt betreue ich zwei junge Leute. Sie lesen gewissenhaft alles, was ich ihnen empfehle. Und das Buch ihres wissenschaftlichen Betreuers zu lesen ist für sie sowieso Ehrensache. Einer von ihnen wird ganz bestimmt bemerken, was Sie so krampfhaft zu verbergen suchen. Genauso wird es laufen, Wladimir Nikolajewitsch, dieses kleine Stück aus dem wissenschaftlichen Leben.«
    »Wollen Sie mich erpressen?«
    »Nein.« Sie hob erstaunt die Lider und bekam ganz runde Augen. »Nein, auf keinen Fall.«
    »Was wollen Sie dann? Wozu das alles?«
    »Sie sind mir unangenehm.« Sie sagte das so einfach, als hätte er sie nach der Uhrzeit gefragt. »Ich hasse Sie dafür, dass Sie mich betrogen haben. Ich will Sie vernichten.«
    »Anastasija Pawlowna, bitte verstehen Sie mich: Die Ermordete war unsere Mitarbeiterin, Offizierin und eine begabte Wissenschaftlerin. Es ist ganz natürlich, dass ich mich für den Stand der Ermittlungen interessiere, zumal ich Irina Sergejewna persönlich kannte.«
    Nastja hörte dem vor ihr sitzenden Mann aufmerksam zu. Schon leicht füllig, das Haar ein wenig gelichtet, ein schönes, rassiges Gesicht, konstatierte sie. Höckernase, schweres Kinn, fester Mund. Ringe unter den Augen. Dozenko war wohl doch ein wenig voreilig gewesen; dieser Pawlow hielt sich gut und machte auch äußerlich einen angenehmen Eindruck. Er schien begriffen zu haben, dass er bei Dozenko den falschen Ton angeschlagen hatte, und war gekommen, um den Eindruck wieder wettzumachen.
    »Leider kann ich Ihnen noch gar nichts mitteilen, Alexander Jewgenjewitsch. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass die Filatowa nicht aus Eifersucht und nicht wegen Geld getötet wurde. Aber das ist bisher leider alles, was wir wissen. Sollten natürlich noch neue Umstände zu Tage treten, werden wir diese

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