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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Filatowa.«
    »So?« Gordejew nahm den Brillenbügel in den Mund. »Interessant. Und was meinst du dazu?«
    »Da wir schon mal das Glück haben, an Sacharow geraten zu sein, sollten wir das ausnutzen. Wir müssen ihnen ein Märchen erzählen.«
    »Lügen ist nicht schön«, scherzte Gordejew.
    »Das ist keine Lüge, das ist Desinformation. Statt mühevoll herauszufinden, wer der Klient ist, müssen wir nur aufpassen, wo unser Märchen dann wieder auftaucht.«
    Zusammen mit Sacharow erfand Nastja eine Biographie für Irina, bemüht, allgemein Bekanntes harmonisch mit Ausgedachtem zu verknüpfen.
    Gordejew bestellte indessen Kowaljow zu sich.
    »Vitali Jewgenjewitsch, ich dachte, wir hätten uns beim letzten Mal verstanden. Doch Sie haben mich enttäuscht und unsere Abmachung gebrochen. Warum nur?«, begann er sanft und einschmeichelnd.
    »Ich verstehe nicht, wovon Sie reden«, erwiderte Kowaljow herrisch.
    »Sie haben Winogradow nicht von unserem Verdacht gegen seinen Neffen unterrichtet?«, erkundigte sich der Oberst unschuldig.
    »Ich hielt es für unumgänglich, ihn davon in Kenntnis zu setzen«, erwiderte Kowaljow hochmütig.
    »Darf ich erfahren, was Winogradow dazu gesagt hat?«
    »Ist das etwa ein Verhör?« Kowaljow war empört. »Warum soll ich Ihnen berichten, was meine Freunde mir in einem persönlichen Gespräch sagen?«
    »Das müssen Sie nicht«, stimmte Gordejew ihm friedfertig zu. »Aber fanden Sie es nicht seltsam, dass Winogradow seinen Neffen umgehend in eine Klinik gebracht hat, und zwar mit einer Diagnose, die ein Strafverfahren gegen ihn unmöglich macht?«
    »Ich verstehe nicht, wovon Sie reden«, wiederholte Kowaljow, »Sergej ist krank, sehr krank, er leidet an einer tiefen Depression. Er braucht ärztliche Aufsicht und Betreuung.«
    »Klar.« Gordejew nickte. »Und was ist die Ursache dieser tiefen Depression?«
    »Eine persönliche Tragödie.« Kowaljow klang überzeugt. »Das Mädchen, das er liebt, hat ihn unverdient grausam behandelt, und Sie wissen ja, wenn in diesem Alter eine Liebe zu Bruch geht, dann geht die Welt unter.«
    Gordejew schnalzte mitfühlend mit der Zunge.
    »Ein Jammer, so was. So ein stattlicher, gut aussehender Bursche, groß und breitschultrig, die Mädchen müssen ihm doch nachlaufen.«
    »Ja, ja«, fiel Kowaljow lebhaft ein, »das ist auch so, aber er will nun mal von keiner anderen etwas wissen, und nun ist das ganze Leben für ihn vorbei.«
    Gordejew schwieg eine Weile, dann fragte er sehr leise:
    »Vitali Jewgenjewitsch, ist Ihnen das nicht peinlich?«
    Eigentlich hätte er am liebsten laut gebrüllt: »Schämen Sie sich denn nicht?!«
    »Peinlich? Wieso?« Kowaljow schlug die Beine übereinander; er glaubte offenbar, sich entspannen zu können, nachdem er das gefährliche Riff sicher umschifft hatte.
    »Beim letzten Mal habe ich meine Überzeugung ausgedrückt, dass Sie Verständnis für unsere schwierige Arbeit aufbringen, und Ihnen sogar dafür gedankt. Jetzt bekenne ich: Ich habe Sie getäuscht. Ich wusste, dass Sie uns Mitarbeitern der Miliz keinen Respekt entgegenbringen, dass Sie finden, wir seien keinen Pfifferling wert. Vielleicht beschränkt sich diese Ihre Meinung nur auf mich? Sie halten mich wahrscheinlich für einen dicken, ungeschickten Tölpel? Am Freitag haben Sie vor meinen Augen ein Foto von Sergej gesehen und ihn nicht erkannt. Sie haben den Neffen Ihres Freundes Winogradow nie gesehen. Mehr noch, Winogradow ist mit Ihnen offenbar gar nicht so eng befreundet, schließlich hielt er es nicht für nötig, Ihnen zu erzählen, dass dieser Sergej im betrunkenen Zustand bei einem Autounfall zwei Personen schwer verletzt hat und dafür verurteilt wurde. Sie aber haben mir versichert, er sei ein guter, ernsthafter Junge. Sie können einwenden, ein Verkehrsunfall sei ein Unglück, das auch dem anständigsten Menschen passieren könne. In einem anderen Fall würde ich Ihnen zustimmen. Aber darum geht es jetzt nicht. Sie haben mich beim letzten Mal nicht nur belogen. Sie hielten sich für so clever und mich für so dumm, dass Sie Schumilin auch noch eigenhändig ins Krankenhaus gebracht haben, damit wir nicht an ihn rankommen. Schumilin war nie ein stattlicher, gut aussehender Bursche, hatte nie Erfolg bei den Mädchen, und das hätten Sie, wenn ich Ihrer Legende Glauben schenken sollte, wissen müssen. Vitali Jewgenjewitsch, ich möchte, dass Sie mir erklären, warum Sie das alles tun. Warum diese vielen Lügen?«
    »Wenn dies kein Verhör ist, erlaube

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