Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
ihm doch geschworen, ihren widerlichen Rudin nicht mit nach Hause zu bringen, wenn Lilja da war. Woher wusste das Mädchen dann von ihm? Also log Margarita schon wieder. Das Leben hatte sie nichts gelehrt.
»Nun, mein Kind, erstens ist noch gar nicht raus, ob Mamas neuer Mann Boris heißt. Wie kommst du denn darauf? Vielleicht heißt er Grigori oder Michail oder Alexander.«
»Aber er heißt Boris Jossifowitsch, nicht Grigori oder Michail. Sag bloß, das weißt du nicht, Papa? Boris Jossifowitsch Rudin.«
»Zweitens, mein Kätzchen«, fuhr Stassow fort, als hätte er den Einwurf nicht gehört, »ist gar nicht gesagt, dass Mama ihn heiraten will.«
»Aber sie treffen sich doch!«
Die Logik des Kindes war unumstößlich, ebenso wie seine Informationen.
»Sie sind befreundet«, erklärte er geduldig. »Aber ob sich zwischen ihnen ein stärkeres Gefühl entwickelt und sie heiraten werden, das steht noch in den Sternen.«
Oder sonst wo. Er konnte Lilja schließlich nicht erklären, dass Rudin verheiratet war und offenkundig keineswegs beabsichtigte, sich scheiden zu lassen. Frauen wie Margarita konnte er haufenweise haben, mehr als genug. »Und überhaupt, Kätzchen, du solltest schlafen gehen. Du musst morgen früh aufstehen, du hast Schule.«
»Aber Papa! Morgen ist doch Samstag.«
»Ach Gott, ich habe ganz vergessen, dass ihr ja Samstags keine Schule habt. Wir hatten früher auch samstags Unterricht.«
»Musst du denn morgen arbeiten?«
»Ich weiß nicht, Kleines, je nach Lage.«
Die Lage war schlecht. Aber das sollte der ehemalige Oberstleutnant der Miliz Wladislaw Stassow erst am nächsten Morgen erfahren.
Masurkewitsch
Als Michail Nikolajewitsch Masurkewitsch, Präsident des Filmkonzerns Sirius, den Schlüssel im Schloss hörte, atmete er tief durch und warf einen Blick auf seine Hände. Sie zitterten wie in seiner Jugend, wenn er eine Prüfung ablegen musste. Gleich würde sie etwas erleben, dieses Miststück, diese hirnlose Schlampe!
Seine Frau schlich behutsam den Flur entlang, sie glaubte offenbar, er schliefe bereits, und wollte ihn nicht wecken. Masurkewitsch saß in völliger Dunkelheit im Wohnzimmer und wartete. Dann flammte das Licht auf, er erblickte Xenija und wurde stocksteif. Seine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt. Sie war blass, ihre Wangen brannten rot, die leuchtend blauen Augen glänzten.
»Es ist drei Uhr früh«, sagte er so ruhig er konnte. »Darf ich erfahren, wo du gewesen bist?«
»Nein, darfst du nicht«, erklärte Xenija gleichmütig. »Das geht dich nichts an.«
»Begreifst du denn überhaupt nichts?«, explodierte Ma-surkewitsch. »Ich habe es dir schon tausendmal gesagt, und auch dein Vater hat es dir erklärt: Deine Rumtreiberei muss aufhören! Willst du etwa mit einem von deinen Taxifahrern in der Gosse landen? Du dumme Gans, du Idiotin! Ich verlange ja nicht, dass du mir treu bist, das wäre zu viel verlangt von einer Frau, die schon als Nutte geboren wurde, aber wahre wenigstens den Anstand! Dein Vater hat sich doch deutlich genug ausgedrückt: Wenn du noch einmal mit dem erstbesten Typen in einem Auto erwischt wirst, dann ist Schluss. Dann kriegen wir kein Geld mehr. Und keine Unterstützung mehr fürs Geschäft. Keine Kredite, keine Sonderkonditionen mehr. Willst du das?«
»Lass mich in Ruhe«, sagte Xenija, während sie ihre Brillantohrringe ablegte und sich den Pullover über den Kopf zog.
Eine unausrottbare Angewohnheit – selbst zu Jeans und Pullover trug sie Brillantohrringe.
»Und mit den Brillanten ist es auch vorbei, wenn dein Vater erfährt, was du trotz seines Verbots treibst. Dann müssen wir deine ganzen Klunker verkaufen, um unsere Kredite abzuzahlen.«
Xenija drehte sich zu ihm um, das Gesicht von Hass und Verachtung verzerrt. Sie war vierundvierzig und sah keinen Tag jünger aus, ihre Figur ging aus dem Leim, unter den Augen bildeten feine Fältchen ein dichtes Netz, ihr Haar hatte seinen Glanz eingebüßt. Aber jedes Mal, wenn sie von einem Liebesabenteuer mit einem zufällig aufgegabelten Autofahrer nach Hause kam, war sie fast schön. Sie hatte ein eigenwilliges Hobby, die Tochter von Kosyrjew, einem der bedeutendsten Bankiers Russlands: Sie stieg zu fremden Männern ins Auto, um es in einer stillen Gasse mit ihnen zu treiben. Manchmal endete das damit, dass eine Milizpatrouille mit der Taschenlampe in den Wagen leuchtete und eine schamlos entblößte Frauenbrust und einen nackten Männerhintern zu sehen bekam. Dann wurde ein
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