Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
beschäftigte sich eingehend mit Wirtschaftstheorie, und unmittelbar nach der Gründung des Dezernats zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität wechselte er dorthin.
Seine Karriere entwickelte sich langsam, aber stetig, und jedes Mal, wenn er nicht durch Kraft, sondern durch seinen Verstand zum Ziel kam, empfand er eine nahezu kindliche Begeisterung: »Ich hab’s geschafft! Ich kann es!«
Auch jetzt, als er weit nach Mitternacht in seiner Junggesellenwohnung saß und Dokumente verglich, freute er sich im Stillen, wenn er feststellte, dass eine bestimmte Person erst wie ein gern gesehener Gast behandelt, dann aber auf die »schwarze Liste« gesetzt worden war. Er vermerkte den Zeitraum, in dem dieser Wandel vor sich gegangen war, um sich später bei Masurkewitsch oder jemand anderem zu erkundigen, worauf der Konflikt beruhte. Auf ein gesondertes Blatt schrieb er die Namen aller Personen, die von einigen Sirius-Mitarbeitern gemieden, von anderen hingegen freudig begrüßt wurden. Er machte sich eine Liste derer, die in den »Verbotslisten« am häufigsten auftauchten. Er würde sich jeden einzeln vornehmen und ganz genau ansehen müssen, vielleicht ein individuelles Gespräch führen über gute Erziehung und wie sinnlos es war, einen Star zu belästigen.
Einmal glaubte er, Lilja stöhnen zu hören. Er schob die Papiere beiseite und rannte ins Zimmer der Tochter. Aber nein, Lilja schlief, die Nase ins Kissen gepresst. Sie atmete ein wenig schwer, mit offenem Mund, vermutlich war ihre Nase verstopft. Stassow schaltete die Lampe ein, nahm eine Flasche Nasentropfen und träufelte Lilja behutsam etwas in die Nase. Dann löschte er das Licht und blieb noch ein paar Minuten neben ihr stehen und lauschte. Schließlich schniefte das Mädchen im Schlaf, und der Atem wurde ruhiger und gleichmäßiger.
Er ging zurück in die Küche und setzte sich wieder an die Papiere. Nach der kurzen Unterbrechung warf er noch einmal einen frischen Blick auf die Listen. Unter den am häufigsten erwähnten ungebetenen Gästen fiel der Name Schalisko ins Auge. Dieser Schalisko hielt geradezu einen Rekord, sein Name war bereits achtzehnmal aufgetaucht, die der anderen fünf- bis achtmal.
Stassow blätterte rasch die Listen mit der Überschrift »Abblocken!« durch. Neben jedem Namen stand der Name des Sirius-Mitarbeiters, der sich von dem Genannten belästigt fühlte. Neben dem Namen Schalisko stand der Name Wasnis. Alle achtzehn Male. Wohin Alina auch fuhr, zu Außenaufnahmen oder auf ein Filmfestival, immer bat sie den Sicherheitsdienst, einen gewissen Pawel Schalisko auf keinen Fall zu ihr zu lassen.
Stassow legte die Listen ordentlich zurück, aber nun in der Reihenfolge, die für seine Arbeit am günstigsten war. Mit einem solchen Ergebnis hatte er gar nicht gerechnet. Für heute war es genug, jetzt konnte er schlafen gehen; morgen früh würde er sich mit Korotkow oder mit Anastasija in Verbindung setzen, damit sie sich um den rätselhaften Pawel Schalisko kümmerten, der Alina Wasnis über fünf Jahre lang belästigt hatte.
Alina Wasnis
Zwei Jahre vor ihrem Tod
Dennoch hatte er es geschafft. Smulow hatte sie von ihrer ewigen Angst erlöst. Mehr noch, er gab ihr die Gelegenheit, endlich offen darüber zu sprechen, ohne sich zu schämen und zu verstecken. Eigens für Alina drehte er einen Thriller mit dem Titel: »Ewige Angst«.
Alina blühte zusehends auf. Ebenso ihre Liebe zu Andrej Smulow. Sie schluckte keine Tabletten mehr, wurde wesentlich ruhiger, lächelte häufiger und verfiel seltener in dumpfe Schwermut.
»Ewige Angst« machte sie endgültig berühmt. Ihr Foto zierte die Titelseiten populärer Filmzeitungen und -Zeitschriften. Sie wurde zu Fernsehinterviews und Talkshows eingeladen. Nach zwei, drei derartigen Versuchen nahmen die Fernsehleute allerdings davon Abstand: Es war zu zeitraubend, Alina Wasnis jedes Mal gründlich vorzubereiten, damit ihre Antworten mehr oder weniger klar und zusammenhängend klangen. Dafür war sie sehr effektvoll, wenn sie lediglich einen Preis überreichen musste. Möglichst wortlos. Das Publikum begrüßte sie mit echten, nicht vom Band eingespielten Beifallsstürmen.
Zum Zeichen von Alinas völliger Genesung gingen sie und Andrej in einen Autosalon, einen Wagen für sie kaufen.
»Da ich jetzt keine Medikamente mehr nehme, kann ich mich ja ohne Scheu ans Steuer setzen«, sagte Alina, schmiegte sich an Andrej und küsste ihn auf die Wange. »Wäre ja sonst ärgerlich: Erst so mühsam
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