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Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Titel: Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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er auf Listen mit der rätselhaften Überschrift: »Abblocken!« Er studierte sie aufmerksam und begriff, dass auf diesen Listen Leute standen, gegen die sich Sirius-Mitarbeiter abschirmen wollten. Ja, das war verständlich. Im Hotel ist man leicht erreichbar und angreifbar. Jeder Beliebige kann ins Hotel kommen und an deine Zimmertür klopfen. Und es gibt nicht einmal einen Türspion, man muss also ständig auf Überraschungen gefasst sein. Selbst auf Bomben. Überall kann einem jemand auflauern, in der Halle, auf der Etage, am Hoteleingang. Man kann Tag und Nacht in seinem Zimmer angerufen werden.
    Darum geben Regisseure und Schauspieler, besonders, wenn sie berühmt sind, dem Sicherheitsdienst eine Liste von Leuten, von denen sie verfolgt werden. Manche verfahren umgekehrt und liefern eine Liste derer, die sie unbedingt sehen wollen, und schreiben darunter, dass niemand sonst zu ihnen gelassen und ihre Zimmer- und Telefonnummer erfahren darf. Jedenfalls hatten sich in den sieben Jahren, die Sirius jetzt existierte, eine ganze Menge Dokumente angesammelt, aus denen hervorging, wem die Leute, die bei Masurkewitsch arbeiteten, aus dem Wege gingen, wem sie nicht begegnen wollten.
    Zu diesen »unerwünschten Personen« gehörten zum Beispiel nicht nur aufdringliche Verehrer und besonders Verehrerinnen, sondern auch neugierige Journalisten, die für ihre Bösartigkeit und Gehässigkeit bekannt waren, Produzenten von Konkurrenzfirmen mit Vertragsangeboten und Schauspieler, die um jeden Preis eine Rolle wollten, wenigstens eine ganz kleine, oder andere, die eine Hauptrolle forderten, weil sie fanden, das stünde ihnen zu. Bei einem Festival wurden außerdem auch Aufsichtsräte, Sponsoren, Werbekunden und andere Geldgeber bedrängt.
    Stassow hatte die Schnitzel mit Buchweizengrütze aufgegessen, wusch seinen Teller ab, goss sich eine riesige Tasse kochendes Wasser ein, warf zwei Lipton-Teebeutel und vier Stück Zucker hinein und machte sich an die gründliche Durchsicht der Dokumente. Zuerst sortierte er die Listen nach dem Vermerk »Abblocken!« und denen, die unbedingt vorgelassen werden sollten. Dann ordnete er jeden Stapel chronologisch. Erst dann verglich er die Namen.
    Die Arbeit erwies sich als spannend. Stassow verfügte über eine solide Erfahrung bei der Verfolgung von organisiertem Verbrechen und Korruption, im Umgang mit Dokumenten war er also geübt. Und er mochte diese Arbeit, sie wurde ihm nie langweilig und ärgerte ihn nicht. Im Gegenteil, ihn reizte das berauschende Gefühl, das er jedes Mal empfand, wenn sich aus Bruchstücken von Informationen, aus Bilanzen, Lieferscheinen und Kopien von Zahlungsanweisungen schließlich ein klares, anschauliches Bild von Amtsmissbrauch, Diebstahl, Betrug und Korruption ergab. Natürlich, organisiertes Verbrechen, das waren Bandenkriege, Leichen, Explosionen, Waffen, superschnelle Autos und die perfekteste Technik, und die Bekämpfung dieser Verbrechen, das waren Risiko, Blut, Schweiß, tagelanges Warten im Hinterhalt, Schießereien, Verfolgungsjagden, Tod. Stassow hatte zwei Narben – von einem Messerstich und von einer Schusswunde, er war körperlich bestens in Form, konnte schnell laufen, hoch springen und treffsicher schießen. Aber kein eigenhändig gestellter Verbrecher weckte in ihm ein solches Hochgefühl wie das aus den Dokumenten rekonstruierte Bild eines Verbrechens. Er wusste auch, warum das so war. Insgeheim hielt er sich für ein bisschen dumm. Was übrigens auch aus einer seiner dienstlichen Beurteilungen hervorging: »Diszipliniert, einsatzbereit. Beherrscht die Dienstwaffe ausgezeichnet. Hält sich ständig körperlich in Form, Meister des Sports in den Disziplinen Leichtathletik, Skilauf und Schwimmen. Als Mangel ist ein wenig kreatives Herangehen an übertragene Aufgaben zu vermerken. Hauptmann W. N. Stassow (damals war er noch Hauptmann) ist nicht immer imstande, eine selbständige Entscheidung zu treffen, die über den Rahmen der gestellten Aufgabe hinausgeht. Resümee: Entspricht der von ihm besetzten Stelle.«
    Als Stassow damals diese Beurteilung gelesen hatte, wurde er ganz trübsinnig. Klarer konnte man es kaum ausdrücken: Genug Kraft, Verstand nicht nötig. Da begann er sich selbst zu beweisen, dass er doch Grips hatte. Er wechselte von der Kriminalpolizei zur Abteilung Bekämpfung des Diebstahls von sozialistischem Eigentum, wo Kraft meistens erst in zweiter Linie gefragt war, wurde bald ein Fuchs in der Auswertung von Dokumenten,

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