Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
wie die zufälligen Fahrer es mit Soja trieben, sie wurde dabei auch selbst aktiv, widmete sich mal dem Mann, mal Soja, mal sich selbst.
Auch am Freitag, dem fünfzehnten September, waren Xenija Masurkewitsch und Soja Semenzowa auf Achse gewesen. Xenija log aus verständlichen Gründen, und Soja log, weil sie einfach nicht wusste, wo sie gewesen war, weil sie sich an nichts erinnerte. Aber einzugestehen, dass sie so weit heruntergekommen war, dass sie sich nicht mehr erinnerte, wo sie mehrere Stunden verbracht hatte, hieße, sich völlig aufzugeben. Außerdem – sie erinnerte sich wirklich nicht, wo sie gewesen war, und hatte schreckliche Angst: Wenn sie nun bei Alina gewesen war? Wenn sie dort jemand gesehen hatte? Vielleicht hatte sie sie wirklich . . .?
Glücklicherweise hatte in Sojas Haus eine große Firma ihren Sitz, die sehr um ihre Sicherheit besorgt war. So sehr, dass sie eigens einen jungen Mann beschäftigte, der am Fenster vor einem Computer saß und unter anderem die Nummern aller Autos speicherte, die vor dem Haus hielten. So ließ sich mühelos feststellen, ob Leute, die hier nichts zu suchen hatten, sich allzu häufig in der Nähe des Firmenbüros aufhielten. Und sollte mal etwas passieren, schlimmstenfalls etwa ein Mord, stand die Autonummer im Computer, und das war wesentlich effektiver, als nach zufälligen Augenzeugen zu suchen, die sich vielleicht eine Autonummer gemerkt hatten.
Korotkow verständigte sich schnell mit dem Mann, der in der Nacht vom Freitag zum Samstag Dienst gehabt hatte, bekam einen Ausdruck mit den Nummern aller Autos, die in der fraglichen Zeit vorm Haus gehalten hatten, und unterstrich mehrere Zeilen, in denen neben der Autonummer die Bemerkung stand: »Setzte eine Frau ab und fuhr weg.« Auf diese Weise ermittelte er rasch den liebestollen Fahrer, der gar nicht daran dachte, sich des Vorfalls zu genieren, im Gegenteil, er schien stolz darauf zu sein, dass er in seinem Alter noch zwei Frauen gleichzeitig befriedigen konnte. Er erinnerte sich gut an ihr Äußeres und an die Adressen, zu denen er sie gefahren hatte. Der Rest war eine Sache von Psychologie, energischem Vorgehen und Technik. Am Montag gegen elf Uhr abends wurde der Verdacht gegen Xenija Masurkewitsch und Soja Semenzowa fallen gelassen. Allerdings wusste nur Gott allein, welche Mühe, welche Anstrengungen das Jura Korotkow und Wladislaw Stassow gekostet hatte.
»Ich rufe gleich Nastja an, und dann ab nach Hause«, sagte Korotkow, wobei er sich reckte und herzhaft gähnte. »War das ein verrückter Tag, mir kommt es vor, als wäre seit heute Morgen ein ganzes Jahr vergangen.«
Sie saßen in Stassows Wagen vor dem Sirius-Gebäude. Das letzte Gespräch mit Xenija hatten sie gemeinsam geführt, das war ihnen aus taktischen Erwägungen klüger erschienen, und um Benzin zu sparen, waren sie zusammen zur Masurkewitsch gefahren und hatten Korotkows Shiguli vor dem Sirius-Gebäude stehen gelassen.
»Komm mit hoch in mein Büro«, lud Stassow ihn ein. »Da kannst du telefonieren, und ich sammele solange mein Zeug zusammen.«
Sie stiegen in den ersten Stock, und Stassow öffnete eine mit dunkelrotem Kunstleder bespannte Tür. Korotkow ließ sich gleich in den Drehsessel vorm Schreibtisch fallen und griff zum Telefon.
»Nastja? Ich bin’s. Streich die Mädchen von deiner Liste. Ja, sie haben mit einem zufälligen Bekannten im Wald gevögelt. Klar, alle beide. Nein, nicht urplötzlich, das treiben die beiden schon seit drei Jahren, und zwar immer freitags. Sie sagen, freitags haben die Fahrer es nicht eilig, weil sie am nächsten Tag nicht früh raus müssen. Das Rezept? Hat sie mir gezeigt. Heil und unversehrt. War in ihrer Brieftasche, im Fach für die Monatskarte. Statt der Monatskarte steckt da ein kleiner Kalender, und dahinter das Rezept. Ihr Mann ist nicht darauf gekommen, da nachzusehen. Klar sind sie Flittchen, keine Frage. Aber keine Mörderinnen. Ja, genau. Sie erinnert sich an nichts, die Ärmste. Wenn du ihr erzählst, sie hätte den amerikanischen Präsidenten erschossen, nimmt sie dir das auch ab. Der Alkohol, was will man da erwarten . . . Okay, Nastja, die Einzelheiten morgen, ich geh jetzt schlafen, mir fallen nämlich schon die Augen zu und meine Zunge ist schon ganz schwer. Was? Um sieben Uhr dreißig? Du Sadistin, weißt du, wann ich da aufstehen muss! Okay, okay. Gut, Küsschen, bis morgen.«
Stassow verfolgte das Gespräch mit halbem Ohr und sortierte einen Stapel Aktenordner, die er aus einem
Weitere Kostenlose Bücher