Anastasya (German Edition)
das dauerte natürlich. Daniel saß neben mir und lachte sich kaputt.
„Ich verstehe nicht, was daran so lustig ist“, murmelte ich.
„Du hast auch keine Ahnung, wie witzig das aussieht, außerdem dauert das jetzt schon eineinhalb Stunden und du hast erst drei Finger“, erklärte er.
Ich schüttelte den Kopf. Naja, zusehen und lachen konnte ja bekanntlich jeder. Er hätte sich vermutlich aus Versehen die Finger rot angemalt, oder den Tisch.
Im Grunde war es mir ja egal, dass er lachte… Aber es ging mir auf die Nerven, dass er neben mir saß und mich dabei zusah. Das war nicht relevant, er hätte einen ganzen Haufen anderer Dinge tun können.
Gegen Mittag mussten wir in der Stadthalle sein. Also Daniel Schlager und seine Begleitung Anastasia. Mein Nachname interessierte niemanden, meinen Vornamen hatten sie falsch geschrieben. Vermutlich hätte ihn auch kaum jemand aussprechen können. Ich wurde allerdings oft nach meiner Herkunft gefragt. Manche hielten mich insgeheim für eine Terroristin, weil Daniel nicht viel über mich verriet.
Wir gingen die Treppe des Hauses hinunter. Eine alte Frau grinste uns an. Sie hielt uns natürlich für ganz normale Nachbarn. Naja ihrem grinsen zufolge hielt sie uns für zwei Jugendliche, die gerade dabei waren, ihren Körper kennen zu lernen. Das taten wir natürlich auch, seit etwa fünf Jahren lernten wir gegenseitig unsere Körper kennen… *Sarkasmus*
Ich ignorierte dieses Grinsen und brachte nicht mehr als ein flüchtiges Hallo heraus. Wir gingen weiter.
Daniel konnte Autofahren.
Ich nicht.
Das lag teilweise daran, dass er mich sein nicht einmal anrühren ließ, andererseits daran, dass ich es hasste, alle paar Jahre den Führerschein machen zu müssen, weil es doch etwas verdächtig war, wenn da das Geburtsjahr 1713 stand.
„Was hältst du davon, wenn wir mal wieder ins Kino gehen?“, fragte er. Ich zuckte die Schultern. Was sollte ich dazu sagen…
„Von mir aus“, murmelte ich.
„Willst du nicht?“, fragte er.
Ich zuckte die Schultern. „Mir ist das egal, du weißt, was ich will und du wirst mich nicht davon abhalten können“, erklärte ich. Er schüttelte den Kopf und fuhr schneller. Er war weit über der Geschwindigkeitsbegrenzung aber das interessierte ihn gar nicht. Wieso sollte es das auch?
Es interessierte ihn auch wenig, wenn er jemanden “aus Versehen“ über den Haufen fuhr. Es lag nicht daran, dass er schlecht Autofahren konnte, es lag daran, dass ein menschliches Leben keine Wichtigkeit hatte. Nicht die Geringste.
Ich verstand zwar nicht, wieso ich nicht mit dem Auto fahren durfte, wenn er so mies damit umging, aber ich sagte nichts. Er ließ mich sowieso nicht ran, das wusste ich. Was das mit den Menschenleben betrifft sind wir uns ziemlich einig.
I ch hatte Hunger. Daniel hatte Recht, ich musste jagen gehen. Wobei das Wort „Jagen“ alles andere als passend ist. Was ich tat war ganz einfach. Ich machte einen Spaziergang und wenn irgendwo einer herumstand, der gut aussah,…
Natürlich nicht auf offener Straße, ich lockte ihn erst weg. Mit meinem weiblichen Charme – Daniel sah das äußerst ungern. Seine Art zu jagen war aber ähnlich. Er fuhr stundenlang die dreckigen besudelten Straßen auf und ab und wenn da eine halbnackt stand und ihn anzwinkerte, blieb er stehen und nahm sie mit… bis zur nächsten Seitengasse.
Das gefiel mir auch nicht und dennoch machte er es immer wieder.
Er stellte den Wagen vor der Stadthalle ab und wir gingen zum Eingang. Er hielt meine Hand und führte mich. er führte mich immer. Ob beim gehen, beim Tanzen. Wir tanzten viel. Er war bei vielen Bällen als Ehrengast eingeladen und wenn er mich dann schon als Begleitung dabei hatte, war es ja fast schade, wenn wir keinen hoffnungslos erotischen und makellos perfekten Tanz hinlegten.
Aber dieses Mal war es nur ein Mittagessen. So viele Menschen wären bei dem Anblick dieses Hühnchens mit Bratkartoffeln und grünem Salat als Beilage dahin geschmolzen. Da kam dann noch Schokoladenlasagne als Nachspeise dazu. So sehr ich Nahrung auch verabscheute, ich liebte Schokolade. Ich rührte vom Rest des Essens kaum etwas an. Aber ich musste etwas essen, sonst hielten mich hier noch alle für magersüchtig.
„Hallo, Anastasya“, begrüßte mich der Sohn des Bürgermeisters. Er war vor kurzem 18 geworden und bewunderte mich angeblich sehr. Wie sollte mir dieser naive, kleine Junge auch widerstehen?
„Hallo, Tobias“, ich fand den Namen unpassend.
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