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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Glückwunsch!«, denn das schien mir irgendwie die richtige Reaktion zu sein.
    Lio schlug sein Buch zu, stand auf, kehrte mir den Rücken und nahm Kurs auf die Bibliotheksregale.

    Wieder im Klostrum angelangt, begriff ich allmählich, dass die Dinge längst nicht so schnell gehen würden, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich hatte Abendessendienst, verbrachte also den restlichen Nachmittag in der Küche. Ala und Tulia brauchten nicht zu kochen, hatten aber Servierdienst. Während Ala eine heiße Kartoffel in meine Schüssel plumpsen ließ, warf sie mir einen Blick zu, der mich auf eine Weise berührte, die ich hier nicht beschreiben werde. Während Tulia die Kartoffel unter einem Ragout begrub, warf sie mir einen Blick zu, der bewies, dass Ala ihr alles erzählt hatte. »Das Kameraloch: nett!«, sagte ich zu ihr. Fraa Mentaxenes, der mich mit seiner Schüssel in die Nieren gestupst hatte, um mich voranzutreiben, hatte keine Ahnung, was ich damit meinte, und wurde nur noch gereizter.
    Lio erschien nicht zum Abendessen. Jesry war da, aber mit ihm konnte ich nicht reden, weil wir mit Barb und ein paar anderen an einem vollbesetzten Tisch saßen. Arsibalt hatte sich, einer neuen Gewohnheit entsprechend, einen Platz möglichst weit von uns weg gesucht. Nach dem Essen hatte er Reinigungsdienst. Jesry verschwand in einen Schreibsaal, um dort mit ein paar anderen Edhariern an einem Beweis zu arbeiten. Diese Burschen würden vielleicht bis zum Morgengrauen daran sitzen. Ich hätte aber ohnehin nicht mit ihm sprechen können, da ich mir Fraa Haligastreme schnappen und mit ihm die Vorbereitungen für den kleinen Aut treffen musste, bei dem Ala und ich vor Zeugen unsere Liaison bekanntgeben und in die Chronik eintragen lassen würden.
    Ich hatte Zeit zu berechnen, wo am Himmel die Sonne um zwei Uhr nachmittags gestanden hatte. Nach der Abendglocke, als die Fids sich schlafen gelegt hatten, ging ich allein auf die Wiese hinaus, setzte mich auf eine Bank und starrte eine Stunde lang an diese Stelle am Himmel in der Hoffnung, ich könnte Glück haben und einen Satelliten vorbeifliegen sehen. Was irrational war, denn wenn man dieses Raumschiff mit bloßem Auge hätte sehen können, wäre dieses ganze Intrigenspiel völlig unnötig gewesen. Es war eine Mischung aus zu klein, zu dunkel und/oder zu hoch, um so viel Licht zurückzuwerfen, dass es für unsere Augen sichtbar gewesen wäre. Ich musste aber einfach eine Weile allein dort sitzen und ins Schwarze starren, um meine Gedanken zu ordnen. Eine Stunde lang schwirrte mein Gehirn zwischen den zwei Themen hin und her. Als ich völlig erschöpft war, stand ich auf und kroch in eine leere Zelle, wo ich tief und fest schlief.

    Beim Frühstück saß Lio im Refektorium. Als ich ihn auf mich aufmerksam machte, schielte er bedeutungsvoll auf ein dickes altes Buch, das er ausgegraben hatte: Außeratmosphärische Waffensysteme des Praxischen Zeitalters .
    Reizend.
    Jesry ließ das Frühstück aus. Danach verplemperten Ala und ich den größten Teil des Vormittags damit, alles für den Nachmittag vorzubereiten. Eine tivische Liaison konnte man in null Komma nichts verkünden, aber bei der etrevanischen sollte jeder Beteiligte es zuerst mit einem älteren Fraa oder einer älteren Suur besprechen. Damit wurde ich gerade fertig, als es zur Provene läutete. Es war einer der immer seltener werdenden Tage, an denen meine alte Mannschaft mit dem Aufziehen der Uhr dran war. Ich fand die Zelle, in der Jesry immer noch schlief, zerrte ihn von seiner Pritsche und brachte ihn auf Trab. Am Ende sprinteten wir, wie immer zu spät, zum Mynster. Aber es war ein gutes Gefühl, die Mannschaft nach allem, was in der vergangenen Zeit geschehen war, wieder einmal beisammenzuhaben, und ich genoss die einfache, körperliche Arbeit des Uhraufziehens mehr, als ich es früher getan hatte.
    Danach gingen wir vier zum Refektorium, um das Mittagessen einzunehmen. Dort war jedoch nicht daran zu denken, dass wir über das Raumschiff sprachen. Stattdessen ging es nur um den Aut, den Ala und ich später begehen würden. Von der ganzen Mannschaft war ich der Erste, der so weit ging, sich in eine solche Liaison zu begeben, und deshalb war das so etwas wie eine Probe für einen Junggesellenabschied. Wir wurden so laut und lustig (zumindest hielten wir selbst uns für lustig), dass man uns bei zwei verschiedenen Gelegenheiten bat, leiser zu sein, und uns schwere Buße androhte – was uns nur noch lauter und lustiger

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