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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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höher gehoben und ins All gerichtet. Wenn ich es mir recht überlegte, war sein Gesicht
damals nach Norden gewandt gewesen. Es stehen größere Dinge auf dem Spiel als die Tatsache, dass ein junger Fraa in der entlegenen Einsiedelei Saunt Edhar an ein paar einheimischen Herumtreibern seine Thade ausprobiert … Denk in großem Maßstab … So wie dein Freund da es tut, wenn er beschließt, es mit vier kräftigeren Männern aufzunehmen.
    Was zum Teufel sollte das heißen? Dass das außerarbrische Raumschiff eine Bedrohung darstellte? Dass wir es bald trotz geringer Siegeschancen würden angreifen müssen? Oder las ich da zu viel hinein? Und warum hatte er mich während unserer vorherigen Unterhaltung über meine Ansichten bezüglich der Hyläischen Theorischen Welt ausgequetscht? Für jemanden wie ihn war es ein merkwürdiger Zeitpunkt für eine so intensive Beschäftigung mit Metatheorik.
    Vielleicht interpretierte ich aber auch viel zu viel in diese Unterhaltungen hinein. Vielleicht gehörte Varax einfach zu den Leuten, die laut dachten.
    Der »Heb deinen Blick«-Teil schien ziemlich klar zu sein.
    Ich brauchte keine große Ermunterung, um mich an die Arbeit zu machen. Nach Orolos Anathem war das Einzige, was mich davon abgehalten hatte, verrückt zu werden, die Arbeit an der photomnemonischen Tafel gewesen. Alas Verlust war nicht ganz so fürchterlich – wenigstens war sie nicht verstoßen worden -, aber im Gegensatz zu Orolos war er für mich völlig überraschend gekommen. Es deprimierte mich immer noch, dass ich einfach nur wie ein schreckensstarres Tier da gestanden hatte, während sie aus meinem Leben verschwand. Sie verloren zu haben, kurz nachdem wir etwas begonnen hatten – nun, da genügt es wohl zu sagen, dass ich wirklich ein Projekt brauchte, an dem ich arbeiten konnte.
    Unsere Gruppe drang mit allen Messinstrumenten, die wir auftreiben konnten, in den Verschlag über dem Glockenturm ein. Arsibalt fand ein paar Bauzeichnungen des Mynsters aus dem vierten Jahrhundert. Wir berechneten die Geometrie der Camera obscura auf drei verschiedene Arten und verglichen die Ergebnisse so lange, bis sie alle übereinstimmten. Die grobe Messung, die wir in Shufs Dotat gemacht hatten, konnten wir verfeinern: Die neue Umlaufbahn des Raumschiffs hatte eine Neigung von etwa einundfünfzig Grad zum Äquator, was bedeutete, dass es im Wesentlichen über alle bewohnten Gebiete flog. Als das Klima in den Jahrhunderten nach den Schrecklichen Ereignissen heiß und trocken geworden
war, hatte es die Menschen eher polwärts gezogen. In letzter Zeit hatte die Verringerung des Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre begonnen, für eine Mäßigung des Klimas zu sorgen, worauf die Menschen wieder in Richtung Äquator umgesiedelt waren, um der Sonneneinstrahlung in der Nähe der Pole zu entgehen. Allerdings bedeuteten einundfünfzig Grad eine höhere Umlaufbahn, als das Raumschiff wirklich benötigte, falls es tatsächlich nur den Großteil der Weltbevölkerung im Auge haben wollte.
    Das fanden wir rätselhaft, bis Arsibalt darauf hinwies, dass von allen größeren Konzenten auf der Welt – solchen also, die Zehntausend-Jahre-Uhren hatten und Hunderte oder Tausende von Avot beherbergten – der am weitesten vom Äquator entfernte auf 51,3 Grad nördlicher Breite lag.
    Und das war zufällig die »entlegene Einsiedelei« Saunt Edhar.
     
    Es sprach sich herum. Innerhalb eines Monats nach dem großen Voko wussten alle im Dezenariermath annähernd so viel über das Raumschiff wie wir. Die Hierarchen konnten nichts dagegen tun. Trotzdem öffneten sie das Sternrund nicht. Ich wurde zu viel mehr nächtlichen Schreibsaalsitzungen eingeladen als vorher. Wir studierten das Schaubild, das Lio in diesem Buch gefunden hatte, und entwickelten die Theorik zu den Fragen, wie ein solches Raumfahrzeug funktionieren würde und wie viel größer es sein müsste, um sich zwischen Sternen zu bewegen. Manches davon erforderte einfache praxische Berechnungen über die Stoßdämpfer. Manches – etwa das Formulieren von Voraussagen über das Verhalten des Plasmas beim Auftreffen auf die Platte – stellte eine ausgesprochen anspruchsvolle Tätigkeit dar. Die Theorik war zu hoch für mich. Es kam mir vor, als straften wir die Loriten Lügen, denn einige der anderen Avot, kaum älter als ich, warteten mit Beweisen auf, von denen wir nahezu sicher waren, dass sie noch nie zuvor von irgendjemandem geführt worden waren – jedenfalls nicht auf Arbre.
    »Das

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