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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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»manchmal auch die Alte Stammlinie.«
    »Also … gebt mir mal einen kleinen Hinweis. In welchen Konzenten hat sie ihre Wurzeln?«
    Kriskan schüttelte den Kopf. »Du gehst davon aus, dass sie wie ein Orden ist. Diese Stammlinie geht aber weiter als bis zur Rekonstitution zurück – sogar weiter als Saunt Kartas. Angeblich wurde sie während der peregrinischen Periode von Theoren begründet, die mit Metekoranes zusammengearbeitet hatten.«
    »Die aber, im Gegensatz zu ihm, nicht unter dreihundert Fuß Bims endeten«, fügte Lio hinzu.
    »Das ist ja etwas völlig anderes«, sagte ich. »Wenn das wirklich stimmt, kommt sie gar nicht aus der mathischen Welt.«
    »Das ist das Problem«, sagte Lio, »die Stammlinie gab es schon Jahrhunderte, bevor der Gedanke an Mathe, Fraas und Suurs aufkam. Man würde also nicht erwarten, dass sie nach irgendwelchen Regeln funktioniert, die wir normalerweise mit unseren Orden in Verbindung bringen.«
    »Du sprichst in der Gegenwart über sie«, bemerkte ich.
    Kriskan sah wieder unsicher aus, sagte aber nichts. Lio schielte erneut nach oben und verlangsamte seinen Schritt.
    »Worauf läuft das alles hinaus? Warum seid ihr beide so nervös?«, fragte ich.
    »Manche hegten schließlich den Verdacht, dass Estemard ein Mitglied war«, sagte Lio.
    »Aber Estemard war Edharier«, sagte ich.
    »Das ist ein Teil des Problems«, sagte Lio.
    »Des Problems?«, wiederholte ich.
    »Ja«, sagte Kriskan, »für dich und mich jedenfalls.«
    »Warum – weil du und ich Edharier sind?«
    »Ja«, antwortete Kriskan mit einer raschen Augenbewegung zu Lio.
    »Also, für Lio lege ich die Hand ins Feuer«, erklärte ich ihm. »Vor ihm kannst du alles sagen, was du mir als Mitedharier sagen würdest.«
    »Also gut«, sagte Kriskan. »Es überrascht mich nicht, dass dir das alles neu ist, du gehörst ja erst seit ein paar Monaten dem Orden von Saunt Edhar an, und außerdem bist du nur ein … äh …«

    »Nur ein Zehner?«, ergänzte ich. »Sprich ruhig weiter, ich bin nicht beleidigt.« War ich doch ein wenig. Hinter Kriskan schnitt Lio eine Grimasse, die dem Ganzen den Stachel nahm.
    »Sonst hättest du nämlich vielleicht Gerüchte über solche Dinge gehört. Bemerkungen.«
    »Welcher Art?«
    »Zunächst mal, dass Edharier im Allgemeinen ein bisschen verrückt sind – ein bisschen geheimnisvoll.«
    »Natürlich weiß ich, dass manche Leute das gerne behaupten«, sagte ich.
    »Gut«, sagte Kriskan. »Dann weißt du sicher auch, dass wir Edharier unter anderem deshalb scheel angesehen werden, weil es so scheint, als könnte unsere Hingabe an die Hyläische Theorische Welt Vorrang vor unserer Treue zur Regel und den Grundsätzen der Rekonstitution bekommen.«
    »Gut«, sagte ich, »das finde ich ungerecht, aber ich kann verstehen, warum manche Leute solche Gedanken hegen mögen.«
    Lio fügte hinzu: »Oder vorgeben, sie zu hegen, wenn ihnen das eine Waffe an die Hand gibt, mit der sie den Edhariern vor der Nase herumfuchteln können.«
    »Nun«, sagte Kriskan, »stell dir vor, es gäbe – oder man glaubte, es gäbe – eine Stammlinie gleichsam aus Ultra-Edhariern.«
    »Willst du damit behaupten, dass Leute glauben, es gebe eine Verbindung zwischen unserem Orden und der Stammlinie?«
    Kriskan nickte. »Manche haben sogar die Anschuldigung erhoben, die Edharier seien reines Blendwerk – eine Körperhülle, die als Wirt für die Verseuchung durch Teglon-Anbeter dient.«
    Angesichts der unzähligen Beiträge, die Edharier über die Jahrtausende hinweg zur Entwicklung der Theorik geleistet hatten, fiel es mir nicht schwer, solch eine aberwitzige Behauptung abzutun, aber an einem Wort blieb ich hängen: »Anbeter«, wiederholte ich.
    Kriskan seufzte. »Die Art von Leuten, die solche Gerüchte in die Welt setzen …«, fing er an.
    »Sind dieselben, die meinen, unser Glaube an die HTW komme einer Religion gleich«, schloss ich. »Und es dient ihren Zwecken, die Vorstellung zu verbreiten, dass es im Herzen des edharischen Ordens einen geheimen Kult gibt.«
    Kriskan nickte.
    »Gibt es einen?«, fragte Lio.

    Ich hätte ihn verdroschen, wenn ich mir das hätte erlauben können. Kriskan kannte Lios Sinn für Humor nicht und nahm ihm diese Frage ziemlich übel.
    »Was hat Estemard denn tatsächlich gemacht, wenn er seiner Nebenbeschäftigung nachging?«, fragte ich Lio. »Hat er Bücher gelesen? Versucht, das Teglon zu lösen? Kerzen angezündet und Zauberformeln aufgesagt?«
    »Hauptsächlich Bücher gelesen –

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