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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Immerhin bekamen wir aber den ersten Hinweis darauf, wie zwei Efferaten hier draußen überleben könnten: indem sie nach Samble herunterkamen, um sich Dinge wie Essen und Medikamente zu besorgen. Wie sie sie bezahlt haben könnten, war eine andere Frage. Aber Fraa Karmolathu bemerkte, dass Samble ihm rein ökonomisch gesehen ziemlich unsinnig erschien. Es gab keine anderen Städte weit und breit, die Gegend eignete sich nicht zur Landwirtschaft, und Industrie gab es auch so gut wie keine. Er entwickelte eine Theorie, nach der das hier mindestens genauso eine religiöse Gemeinschaft war wie das Kloster, in dem wir die vergangene Nacht verbracht hatten. Und wenn das der Fall war, mussten Estemard und Orolo vielleicht nicht mit Geld bezahlen, sondern konnten den Dorfbewohnern Dienste erweisen.
    »Vielleicht sind sie auch einfach Bettler«, sagte Fraa Jad, »wie bestimmte Orden in alten Zeiten.«
    Die meisten Avot fühlten sich anscheinend mit der Bettlerthese wohler als mit der Andeutung, Estemard oder Orolo hätten sich womöglich dieser Art von Leuten als nützlich erwiesen. Das führte zu einer lebhaften Diskussion. Unser Bemühen, uns gegenseitig zu ebnen, hätte den Gottesdienst in der Arch erheblich gestört, wenn es eine ruhige, kontemplative Veranstaltung gewesen wäre, aber in diesem Gebäude ging es lauter zu, als wir je hätten sein können, mit viel Gesang, der eher wie Gebrüll klang. Ein paar andere und ich setzten uns von der Diskussion ab und ließen den Blick eine Weile zwischen der Kartabla und dem Inselberg hin und her wandern. Samble – ein Name, von dem Fraa Karmolathu meinte, er könnte eine alte verschliffene Zusammenziehung von »Savant Bly« sein – lag am Ausgangspunkt einer Dreckpiste, die sich spiralig um den Inselberg herum bis an seine Spitze wand. Nach ein paar Minuten sahen wir die Stelle, wo diese Straße anfing: an dem unbefestigten Platz hinter der Arch. Und im Moment war es völlig unmöglich, ihn zu überqueren, um zu der Straße zu gelangen. Der Platz war nämlich vollkommen mit Fahrzeugen zugeparkt: ein paar glänzende Mobos von Leuten, die in Samble als Burgher gelten mochten, in der Hauptsache aber staubbedeckte Hole mit großen Reifen. In der
Mitte gab es eine freie Fahrspur, deren hinteres Ende jedoch vollständig von Ganelial Crades Hol blockiert wurde.
    Der Kartabla nach zu urteilen, waren es nur vier Meilen bis auf die Spitze, und ich war so unruhig, dass ich an einer Pumpe in der Mitte des Angers meine Wasserflasche füllte und mich zu Fuß auf den Weg machte. Lio kam auch mit. Und Fraa Kriskan, der jüngste der Hunderter. Es mutete etwas seltsam an, zwischen den parkenden Holen der Gläubigen von Samble hindurchzugehen, aber nachdem wir uns erst einmal an dem von Crade vorbeigequetscht hatten, erreichten wir die Straße, die in einem Bogen um den Inselberg herumführte und das Dorf aus unserem Blickfeld verschwinden ließ. Eine Minute später konnten wir das Gebrüll aus der Arch nicht mehr hören; wir vernahmen nur noch das Rauschen eines trockenen, knisternden Windes, der über die Wüste zu uns herwehte und den scharfen Duft der zähen, harzigen Pflanzen mitbrachte, die dort unten wuchsen. Wir gewannen rasch an Höhe, und die Lufttemperatur fiel, auch wenn uns beim Aufstieg warm wurde. Nachdem wir eine Stelle genau gegenüber von Samble erreicht hatten, konnten wir bis hinauf zur Spitze sehen und machten ein paar Gebäude und außerdem die verkrüppelten Skelette alter Funktürme und polyedrischer Kuppeln aus. Wir vermuteten, dass es militärische Überreste waren, nicht weiter interessant, da nach ein paar tausend Jahren der Besiedlung alle Landschaften mit solchen Dingen übersät waren.
    Wir folgten der Spirale weiter aufwärts bis zu einem Punkt, von dem aus wir nach Samble hinunterschauen und unseren Freunden unten winken konnten. Der Gottesdienst in der Arch ließ noch keine Anzeichen erkennen, dass er sich dem Ende zuneigte. Wir hatten angenommen, dass die Fahrzeuge uns bald einholen würden. Mit anderen Worten, wir waren nur zu Fuß losgegangen, um uns ein wenig Bewegung zu verschaffen – nicht, um auf diese Weise bis ganz hinauf zu gelangen. Jetzt schien es jedoch so, als könnten wir vor unseren motorisierten Reisegefährten dort ankommen. Aus irgendeinem Grund weckte das unseren Ehrgeiz, sodass wir unseren Schritt beschleunigten. Wir fanden eine Abkürzung, die andere Wanderer bereits genommen hatten, und schnitten eine ganze Runde um den Berg ab, indem

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