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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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schaute mich an.
    »Ja«, sagte ich, »mein Namensvetter.«
    Kriskan fuhr fort: »Und Uthentine sagte zu Erasmas: ›Ich sehe, du behandelst mit deinen Fids gerichtete azyklische Graphen; wann wirst du zu etwas Interessanterem übergehen?‹ Worauf Erasmas antwortete: ›Verzeihung, aber das ist kein GAG, es ist etwas vollkommen anderes.« Das empfand Suur Uthentine, eine Theorin, die ihre ganze Laufbahn dem Studium solcher Dinge gewidmet hatte, als Affront. ›Ich weiß doch, was ein GAG ist‹, sagte sie. Erasmas war wütend, beschloss jedoch nach reiflicher Überlegung, dass es lohnenswert sein könnte, sich der Draufsicht seiner Suur anzuschließen. So entwickelten Uthentine und Erasmas den komplexen Protismus.«
    »Im Gegensatz zum einfachen?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte Kriskan, »wenn du mit einfach die Zwei-Kästen-Sorte meinst. Die komplexe Sorte kann jede beliebige Anzahl von Kästen und Pfeilen haben, solange die Pfeile sich nicht im Kreis drehen.«
    Auf unserem spiralförmigen Weg nach oben hatten wir die schattige Seite des Inselbergs erreicht und kamen an einen Straßenabschnitt, den jahreszeitlich bedingte Regenfälle mit Schlamm überzogen hatten – perfekt zum Zeichnen graphischer Darstellungen. Während wir uns ausruhten und an unserem Wasser nippten, machte Kriskan sich daran, uns eine Kalka 3 über komplexen Protismus zu geben. Das Wesentliche dabei war, dass unser Kosmos, bei Weitem nicht der einzige kausale Bereich, der von Informationen aus einer einzigartigen und alleinigen Hyläischen Theorischen Welt erreicht wurde, womöglich nur ein Knoten in einem Netz von Kosmen war, durch das Informationen hindurchsickerten, immer in derselben Richtung, wie Lampenöl durch einen Docht. Weitere Kosmen – von unserem vielleicht gar nicht so verschieden – befanden sich womöglich dochtaufwärts von uns und versorgten uns mit Informationen. Und noch andere könnten dochtabwärts liegen und Informationen von uns erhalten. All das erschien mir schon ziemlich weit hergeholt – aber es half mir zumindest zu verstehen, warum Paphlagon evoziert worden war.
    »Jetzt habe ich eine Frage an euch Zehner«, sagte Kriskan, als wir wieder aufbrachen. »Wie war Estemard?«

    »Er ging hinaus, bevor wir zugelassen wurden«, sagte ich, »wir haben ihn also nicht gekannt.«
    »Ach, das macht nichts«, sagte Kriskan, »wir werden es noch früh genug erfahren.«
    Schweigend gingen wir ein paar Schritte weiter, ehe Lio – mit einem skeptischen Blick hinauf zu dem jetzt nicht mehr so weit entfernten Berggipfel – sagte: »Ich habe ein wenig in Estemard hineingeschaut. Vielleicht sollte ich euch erzählen, was ich weiß, bevor wir in sein Haus stürmen.«
    »Hervorragend. Was hast du erfahren?«, fragte ich.
    »Das könnte einer der Fälle sein, in denen jemand fortgegangen ist, bevor er verstoßen werden konnte«, sagte Lio.
    »Tatsächlich?! Was hat er getan?«
    »Seine Nebenbeschäftigung waren Kacheln«, sagte Lio. »Die wirklich kunstvolle Kachelung in der neuen Waschküche stammt von ihm.«
    »Das geometrische Zeug«, sagte ich.
    »Ja. Wie es scheint, hat er es aber als eine Art Deckmantel benutzt, um sich mit einem alten geometrischen Problem, dem so genannten Teglon, zu befassen. Es ist ein Kachelungsproblem und geht auf die Zeit des Tempels von Orithena zurück.«
    »Ist das nicht das Problem, das mehrere Leute verrückt gemacht hat?«, fragte ich.
    »Metekoranes stand auf dem Dekagon vor dem Tempel von Orithena und betrachtete das Teglon, als die Asche ihn überrollte«, sagte Kriskan.
    Ich sagte: »Es ist das Problem, über das Rabemekes am Strand nachdachte, als ein bazischer Soldat ihn mit einem Speer aufspießte.«
    Lio sagte: »Suur Charla von den Töchtern der Hyläa glaubte, mit ihrer in den Staub der Straße nach Oberkolbon gekratzten Skizze die Lösung gefunden zu haben, als König Roodas Armee auf dem Weg in ihr Verderben darüber hinwegmarschierte. Daraufhin verlor sie für immer den Verstand. Die Versuche von Leuten, das Problem zu lösen, haben zur Ausgliederung ganzer Unterdisziplinen der Theorik geführt. Und es gibt – gab immer – einige, die ihm mehr Aufmerksamkeit schenkten, als ihnen guttat. Die Besessenheit wird von Generation zu Generation weitergereicht.«
    »Du sprichst von der Stammlinie«, sagte Kriskan.
    »Ja«, antwortete Lio und blickte wieder nervös nach oben.

    »Welche Stammlinie meint ihr?«, wollte ich wissen.
    » Die Stammlinie, wie die Leute sie nennen«, sagte Kriskan,

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