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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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landläufigen Folklore den so genannten Rhetoren und B den so genannten Inkantoren. Das Ganze trug sich drei Monate vor Ausbruch der Dritten Verheerung zu.«
    »Aber der Dinosaurier – oder der Drache oder was auch immer – tauchte wirklich in der Parkrampe auf.«
    Yul und ich gingen nebeneinanderher auf festgewalztem Schnee, einen Steinwurf vom rechten Rand des mit Tromms verstopften Splittergrabens entfernt. In unmittelbarer Nähe des Grabens war es gefährlich, weil Männer, von denen viele berauscht waren, auf Schneefahrzeugen hin und her sausten. Die Spur, der Yul und ich folgten, schien ein oder zwei Tage zuvor von einem solchen Fahrzeug gelegt worden zu sein. Wir wussten immer, wo sich unsere Hole in dem Graben befanden, denn inzwischen konnten wir die zusammengebastelten Schnorchel der benachbarten Tromms erkennen. Der Verkehr schien sich leicht zu beschleunigen, sodass wir schneller durch den Schnee stapfen mussten, um mit ihm mitzuhalten. Das lag vermutlich daran, dass wir nicht mehr sehr weit von der Schlittenzugstation entfernt waren. Ein paar Meilen voraus konnten wir schließlich ihre Antennen, ihren Rauch und ihre Lichter sehen. Auch wenn die Hole uns hinter sich ließen, würden wir sie zu Fuß erreichen können, sodass wir uns nicht übermäßig sorgten, nicht mithalten zu können.
    »Es war nur zweitausend Fuß von Munkoster entfernt«, sagte ich. »Da gab es eine Stadt – wie heute auch. Allgemeines Niveau des Wohlstands und der praxischen Entwicklung, sagen wir neun auf einer Skala von zehn.«
    »Wo liegen wir heute?«, fragte Yul.
    »Sagen wir acht. Aber die Gesellschaft rund um Munkoster hatte ihren Höhepunkt überschritten, wenn sie es auch noch nicht wusste. Deolatisten gewannen an politischem Einfluss.«
    »Welche Arch?«

    »Ich weiß es nicht. Eine von denen, die offensiv auf Machtzuwachs bedacht sind. Sie hatten eine Ikonographie …«
    »Eine was?«
    »Nun«, antwortete ich, »sagen wir einfach, sie fühlten sich von bestimmten Dingen, die Avot gewöhnlich für wahr hielten, bedroht.«
    »Zum Beispiel, dass die Welt alt ist«, sagte Yul.
    »Ja. Bei ein paar Jahresaperten hatte es Ärger gegeben, und noch größeren bei der Jahrzehntapert 2780. In der Zehnten Nacht wurde der Zehnermath leicht geplündert. Doch dann schien alles sich wieder zu beruhigen. Die Apert war vorbei. Alles kehrte wieder zur Normalität zurück. So, und nun befand sich in Sichtweite des Konzents eine Parkrampe im Bau. Sie gehörte zu einem Einkaufszentrum. Die Avot konnten den Baufortschritt verfolgen, indem sie einfach aus den Fenstern ihrer Türme schauten – Munkoster hat eine Menge Türme. Ein paar Monate später war die Rampe fertig. Säkulare fuhren täglich dort hinein und parkten ihre Autos. Kein Problem. Sechs Jahre vergingen. Das Einkaufszentrum expandierte. Um einen weiteren Flügel anbauen zu können, mussten die Arbeiter ein paar konstruktive Veränderungen an der Parkrampe vornehmen. Einer von ihnen war gerade oben auf dem vierten Deck dabei, mit einem Presslufthammer einen Teil des Fußbodens aufzureißen, als ihm auffiel, dass da etwas in den Kunststein eingebettet war. Es sah aus wie eine Klaue. Um es näher untersuchen zu können, entfernten sie einen Stein nach dem anderen. Das war ein größeres Sicherheitsproblem, denn ein Gebäude ist baulich nicht in Ordnung, wenn sich in tragenden Teilen Dinge wie Klauen und Knochen befinden. Sie würden es abstützen müssen – vor ihren Augen wurde das Gebäude instabil und senkte sich. Je mehr sie aufdeckten, umso schlimmer wurde es. Schließlich und endlich hatten sie das vollständige Skelett eines hundert Fuß langen Reptils freigelegt, das in dem erst sechs Jahre zuvor gegossenen Kunststein eingebettet war. Die Deolatisten wussten nicht, was sie davon halten sollten. In der Umgebung des Konzents kam es zu schweren Unruhen und Ausschreitungen. Dann ertönte eines Nachts Gesang aus dem Turm der Tausender. Er war die ganze Nacht über zu hören. Am nächsten Tag befand sich die Parkrampe wieder in ihrem normalen Zustand. Das ist die ganze Geschichte.«
    »Glaubst du sie?«, fragte Yul.
    » Etwas ist passiert. Es gab – gibt – Indizien.«

    »Du meinst, so etwas wie Phototypien von dem Skelett?«
    »Ich spreche eher von Dingen wie den Erinnerungen im Kopf der Zeugen. Stapeln von Bauholz, die die Konstruktion abstützen sollten. Die Formulare im Holzlager. Etwas zusätzlicher Abrieb an den Reifen der Tromms, die die Stützbalken zu der Baustelle

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