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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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behindern, aber am Ende stieß sie auf die Straße und wurde auf die Ladeflächen klappriger Tromms gestapelt, die gewichtsmäßig zu fünfundsiebzig Prozent aus Rost zu bestehen schienen, zusammengehalten lediglich durch Eiskrusten und zottelige Mäntel aus schmutzigem Schnee. Die Tromms bewegten sich zum Schutz in Karawanen, sodass der Versuch, sie zu überholen, ein hoffnungsloses Unterfangen darstellte, aber für unsere Zwecke fuhren sie schnell genug und boten uns, nachdem sie erst einmal erkannt hatten, dass wir Pilger und keine Piraten waren, die Sicherheit der Herde. Wir hielten einigen Abstand zu ihnen, damit wir Zeit zum Ausweichen hätten, sollte ein kunstvoll verbogenes, starres Leitungsrohr oder ein Drahtknäuel herunterfallen. Unsere Windschutzscheibe wurde durch von den Reifen aufspritzenden Schneematsch undurchsichtig. Wir hielten die Seitenfenster offen, damit wir hinausreichen und sie mit Lappen an Stöcken sauber wischen konnten. Am dritten Tag gefroren die Lappen; von da an ließen wir den Kocher ständig mit einem Topf warmem Wasser darauf brennen, um sie auftauen zu lassen. Durch unsere offenen Fenster schauten wir uns vorbeiziehende Ruinen an. Mit der Zeit erkannten wir an der Art ihrer Befestigung, in welchem Zeitalter sie erbaut worden waren: Raketensilos, drei Meilen lange Start- und Landebahnen, Umfassungsmauern, Schutzwälle, hektarweise Bandstacheldrahtrollen, Gürtel aus genetisch veränderten Dornenbäumen – alle mehr oder minder von Plünderern niedergerissen oder funktionsuntüchtig gemacht.

    Während die Tage verstrichen, war dieses ganze Zeug erst verstaubt, dann mit Reif bedeckt, dann vom Eis erstickt, planiert, zerschlagen, überschwemmt, ausgelöscht. Danach waren die einzigen vom Menschen dort zurückgelassenen Dinge, die wir sahen, Wracks ehemaliger Schlittenzugbahnhöfe: Klima- oder Marktschwankungen hatten sie so lange jeden Schutzes beraubt, dass sie starben. Eine Meile von der Straße entfernt war die Landschaft sauber und weiß, entlang der Straße dagegen das Widerwärtigste, was ich auf der ganzen Reise gesehen hatte. Die Schneehaufen am Straßenrand wurden höher und schwärzer, und schließlich wurde unser Weg zu einem kohlenschwarzen, zwanzig Fuß tiefen Splittergraben, vollgestopft mit Tromms, die ungefähr so schnell fuhren, wie ein gesunder Mensch gehen konnte. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr. Wir hätten die Motoren unserer Fahrzeuge ausschalten können, und der Tromm hinter uns hätte uns bis ans Ende dieser Straße vor sich her geschoben. Sie hatten Schnorchel, um frische Luft in ihre Führerhäuschen herunterzuziehen. Wir hatten es versäumt, uns damit auszurüsten, und mussten den ganzen letzten Tag ölig blaue Abgase einatmen. Wenn das so widerlich wurde, dass wir es nicht mehr aushielten, übernahm jemand anderes das Lenkrad, und wir kletterten aus dem Graben hinaus (in den Schneewänden gab es immer wieder Rampen) und gingen einfach eine Weile nebenher (auf einem der Märkte in der Tundra hatten wir aus geplündertem Baumaterial improvisierte Schneeschuhe gekauft) oder fuhren auf Gnels motorisiertem Dreirad.
    Es war auf einem dieser Märsche – der allerletzten Etappe -, als Yul mich schließlich nach dem Parkrampendinosaurier fragte.
    Seit dem Tag, den wir zusammen in Norslof verbracht hatten, war klar gewesen, dass er sich etwas von der Seele hatte reden wollen. Als er und Cord plötzlich ein Paar geworden waren, hatte er es einige Tage lang vermieden, mit mir allein zu sein. Als dann aber feststand, dass ich nicht aus dem Häuschen geraten würde, hatte er begonnen, vorsichtig nach Gelegenheiten zu suchen, um unter vier Augen mit mir zu sprechen. Ich nahm an, dass es sich um ihn und Cord drehen würde. Aber Yul steckte voller Überraschungen.
    »Manche behaupten, es wäre ein Dinosaurier gewesen, andere meinen, ein Drache«, erklärte ich ihm. »Eins der ersten Dinge, die man uns im Zusammenhang mit dem Vorfall mitteilte, war, dass es keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt …«

    »Weil alle Beweise von den Inkantoren verwischt wurden?«
    »Das ist eine Geschichte von mehreren. Das Zweite, was wir erfuhren, war übrigens, dass wir nie mit Säkularen über den Vorfall sprechen sollten.«
    Enttäuschung machte sich auf seinem Gesicht breit.
    »Tut mir leid«, sagte ich, »so ist es nun mal. Die meisten Berichte stimmen darin überein, dass eine Gruppe, nennen wir sie Gruppe A, damit anfing, und Gruppe B es beendete. A entspricht in der

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