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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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erfassen, käme in etwa dem Versuch gleich, einen Code zu knacken. Wir Ita bräuchten unsere eigene Konvox.«
    »Ihr könntet das Problem des Über-etwas-Seins ein für alle Mal lösen«, bemerkte ich, halb im Ernst.

    Er senkte den Blick von der entrückten Betrachtung des Himmels und starrte mich an. »Hast du dich mit dem Über-etwas-Sein beschäftigt?«
    Ich zuckte die Achseln. »Vermutlich nicht so viel wie du. Wir lernen etwas darüber, wenn wir die frühe Geschichte der Spaltung durchnehmen.«
    »Zwischen den Anhängern von Saunt Prok und den Schülern von Saunt Halikaarn.«
    »Genau. Obwohl es etwas unfair ist, die eine Gruppe Anhänger und die andere Schüler zu nennen, wenn du verstehst, was ich meine. Jedenfalls nennen wir das die Spaltung.«
    »Die Prokier waren eher dem syntaktischen Standpunkt zugeneigt … oder hätte ich vielleicht lieber Faanier sagen sollen …«
    Hier wirkte Sammann etwas unsicher, sodass ich ihm auf die Sprünge half: »Du erinnerst dich, wir sprechen vom Über-etwas-Sein. Du und ich können über Dinge nachdenken. Symbole in unseren Köpfen haben Bedeutungen. Die Frage lautet, kann eine syntaktische Vorrichtung über Dinge nachdenken oder lediglich Ziffern verarbeiten, die kein Über-etwas-Sein besitzen, keine Bedeutung …«
    »Keinen semantischen Gehalt«, sagte Sammann. »Ja. Nun war unmittelbar nach der Rekonstitution im Konzent Saunt Munkoster Faan die EUG der Syntaktischen Fakultät – der Anhänger von Prok. Sie war der Meinung, Über-etwas-Sein existiere nicht – sei eine Illusion, die jede einigermaßen hoch entwickelte Synvor sich selbst schaffen könne. Zu dem Zeitpunkt war Evenedrik schon tot, aber er hatte ebenso wie vor ihm Halikaarn den Standpunkt vertreten, dass unser Geist Dinge tun könne, die Synvors nicht könnten – dass Über-etwas-Sein real sei …«
    »Dass unsere Gedanken tatsächlich über die Einsen und Nullen hinaus einen semantischen Gehalt besäßen.«
    »Ja. Und das ist verbunden mit der Vorstellung, dass wir in der Lage sind, ideale Formen in der Hyläischen Theorischen Welt wahrzunehmen.«
    »Jetzt aber mal halblang, Leute!«, brüllte Yul. »Wir versuchen hier, gemütlich zu zelten!«
    »Das machen wir doch gerade zur Entspannung«, schoss Sammann zurück.
    »Genau«, ergänzte ich, »wenn wir arbeiten würden, würden wir uns über Dinge unterhalten, die langweilig und kompliziert sind.«

    »Das ist ja schlimmer, als Predigern zuzuhören!«, beschwerte sich Yul, aber Gnel ließ sich nicht ködern.
    »Lass es mich dir in Worten erklären, die du verstehst, Cousin«, sagte Gnel. »Falls die Außerarbrischen nur ein großes Computerprogramm sind, kann unser Sammann sie einfach ausschalten, indem er ein Binärzeichen ändert. Das Programm wird nicht einmal wissen, dass es sabotiert wird.«
    »Nur wenn es kein Über-etwas-Sein besitzt«, ermahnte ich ihn. »Falls es imstande ist, zu begreifen, dass seine Symbole über etwas sind, wird es wissen, dass Sammann nichts Gutes im Schilde führt.«
    »Es müsste wahnsinnige Vorsichtsmaßnahmen eingebaut haben«, sagte Yul, »mit den ganzen Atombomben und so.«
    »Wenn ihm Über-etwas-Sein fehlt, ist es unglaublich anfällig, also ja«, sagte Sammann. »Systeme mit echtem Über-etwas-Sein dagegen dürften Gerüchten zufolge viel schwerer zu täuschen sein.«
    »Nö«, sagte Yul, den Blick wieder auf seinen Cousin gerichtet. »Du musst sie nur auf andere Weise täuschen.«
    »Der Himmelswart war anscheinend nicht besonders überzeugend«, betonte Gnel. »Predigen ist also womöglich gar nicht so einfach, wie ihr denkt.«
    Cord räusperte sich und schaute finster auf ihre Schüssel hinab. »Äh, nicht dass das nicht faszinierend wäre, aber wie sieht der Plan für heute aus?«
    Das erzeugte ein langes Schweigen. Dann schob Cord noch nach: »Ich finde es ja schön hier, aber allmählich wird es mir etwas unheimlich. Findet es sonst noch jemand unheimlich?«
    »Du sprichst hier mit einem Haufen Kerls«, sagte Yul. »Da darfst du keine Bestätigung deiner Gefühle erwarten.« Sie warf Sand nach ihm.
    »Ich habe ein wenig recherchiert«, sagte Sammann, »was an sich schon unheimlich war, weil ich nicht verstanden habe, warum ich an einem so gottverlassenen Ort so guten Zugang zum Retikulum haben sollte …«
    »Aber jetzt verstehst du es?«, fragte Gnel.
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Und was hast du herausbekommen?«
    »Die ganze Insel ist ein einziges Grundstück im Besitz einer einzigen Einheit. Schon seit

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