Anathem: Roman
Rampe hinunterzulaufen, so schnell ich mit seitwärts der Geometersonde zugewandtem Blick konnte. Der untere Teil der Sonde war breit und untertassenförmig und glühte vom Wiedereintritt noch immer in einem stumpfen Rotbraun. Darüber hatte sie eine einfache Form, wie ein umgedrehter Eimer, und war oben leicht gewölbt. An ihren Seiten hatten sich fünf schmale Luken aufgetan und Schlitze freigelegt, aus denen die Käferbeine sich entfaltet hatten. Auf ihrer Kuppel hatte sie einen Wirrwarr von Dingen, die ich nicht richtig erkennen konnte: vermutlich
den Mechanismus zum Entfalten und Kappen des Fallschirms, vielleicht ein paar Antennen und Sensoren. Während ich hinter Orolo her die Rampe hinunterjagte, sah ich die Sonde von allen Seiten, entdeckte aber nichts, was einem Fenster glich.
Am Rand des Dekagons holte ich ihn ein. Er sog schnüffelnd die Luft ein. »Scheint nichts Giftiges zu verströmen«, sagte er. »Von der Farbe des Gases her würde ich sagen Wasserstoff/Sauerstoff. Blitzsauber.«
Landasher kam allein herunter. Anscheinend hatte er den anderen befohlen, oben zu bleiben. Er hatte schon den Mund geöffnet, um etwas zu sagen. Er sah ziemlich verstört aus, ein Mann, der der Situation nicht gewachsen war. Orolo kam ihm zuvor: »Ist das Tor offen?« Landasher wusste es nicht. Doch oben konnten wir jetzt das Brummen von Fahrzeugen hören. Ich erkannte sie an ihren Geräuschen: Es waren die beiden, die wir über den Pol gebracht hatten. Oben an der Rampe erschien ein Licht.
» Jemand hat es geöffnet«, sagte Orolo. »Es muss aber wieder geschlossen und verriegelt werden, sobald die Fahrzeuge und der Fallschirm drinnen sind. Du solltest dich auf eine Invasion vorbereiten.«
»Glaubst du, die Geometer starten eine …«
»Nein. Ich meine eine Invasion der Zampanos. Dieser Vorfall wird von Sensoren registriert worden sein. Niemand weiß, wie schnell die Säkulare Macht reagiert. Möglicherweise innerhalb einer Stunde.«
»Wir können die Säkulare Macht nicht draußen halten, wenn sie hereinkommen will«, sagte Landasher.
»So lange wie möglich. Das ist alles, worum ich bitte«, sagte Orolo.
Das motorisierte Dreirad fuhr die Rampe hinunter. Als es näher kam, sah ich Cord am Steuer, während Sammann hintendrauf stand und sich an Cords Schultern festhielt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
»Was willst du in dieser Zeit tun?«, fragte Landasher. Bisher war er mir immer wie ein weiser, vernünftiger Führer vorgekommen, aber an diesem Abend stand er unter großem Druck.
»Lernen«, antwortete Orolo. »Von den Geometern lernen, bevor die Säkulare Macht uns diesen Moment abnimmt.«
Das Dreirad kam auf dem Grund der Grube an. Sammann sprang herunter, nahm sein Nicknack zur Hand und richtete dessen
Sensoren auf die Sonde. Cord ließ kurz den Motor aufheulen und schwang die Maschine dann so herum, dass ihr Scheinwerfer ebenfalls auf die Sonde gerichtet war. Dann sprang sie ab und zerrte Werkzeug vom hinteren Gepäckträger herunter.
»Was zum -, woher weißt du, dass es sicher ist? Was ist mit Ansteckungsgefahr?! Orolo? Orolo! «, rief Landasher, denn Cords Schachzug mit dem Scheinwerfer hatte eine viel bessere Sicht auf das Ding eröffnet, und Orolo ließ sich fasziniert von ihm anziehen.
»Wenn sie Angst hätten, von uns angesteckt zu werden, wären sie nicht gekommen«, sagte Orolo. »Wenn wir Gefahr laufen, von ihnen angesteckt zu werden, sind wir ihnen ausgeliefert.«
»Glaubst du wirklich, ein verriegeltes Tor wird Leute mit Hubschraubern fernhalten?«, fragte Landasher.
»Ich habe da so meine Vorstellung«, sagte Orolo. »Fraa Erasmas wird sich darum kümmern.«
Bis ich wieder am oberen Ende der Rampe angekommen war, hatten Yul und Gnel den Fallschirm geholt. Sie und eine kleine Gruppe abenteuerlustiger Avot hatten einen großen Teil davon auf die offene Ladefläche von Gnels Hol geknüllt und gestopft und mit einem planlos gewobenen Netz aus Spanngurten und Tragleinen befestigt. Trotzdem schleiften sie, als sie den Hol an den Rand der Grube fuhren, noch einen Morgen Fallschirmtuch und eine Meile Tragleine durch den Staub hinter sich her.
In diesem Moment hätten wir weiße Ganzkörperanzüge, Handschuhe und Atemschutzmasken anziehen, den außerarbrischen Fallschirm in sterilem Poly versiegeln und in ein Labor schicken sollen, um ihn bis hinunter auf die molekulare Ebene untersuchen und analysieren zu lassen. Ich hatte jedoch andere Anweisungen. So packte ich den Rand des Fallschirms
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