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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Bemerkung, die Fraa Paphlagon gemacht hat, bevor das Thema Hemnraum zur Sprache kam, eine Bemerkung über die verschiedenen Arten von Materie. Fraa Paphlagon, ich glaube, du hast das als Beweis dafür angeführt, dass die Geometer allesamt aus verschiedenen Kosmen oder, um Fraa Jads Begriff zu gebrauchen, verschiedenen Narrativen kommen.«
    »Ein etwas konventionellerer Begriff wäre Weltspuren«, warf Suur Moyra ein. »Der Gebrauch des Wortes Narrativ ist ein wenig – nun ja – belastet.«
    »Jetzt sprichst du meine Sprache!«, sagte Lodoghir sichtlich erfreut. »Wer außer Fraa Jad benutzt überhaupt das Wort Narrativ, und was meinen die Betreffenden eigentlich damit?«
    »Es ist selten«, sagte Moyra, »und wird von manchen Leuten mit der Stammlinie assoziiert.«
    Fraa Jad schien das alles zu ignorieren.
    »Die Terminologie einmal beiseitegelassen«, fuhr Suur Asquin – etwas brüsk – fort, »was ich nicht ganz verstehe, ist, wie das Ganze zusammenpasst – worin besteht die Verbindung, die du zwischen der Tatsache unterschiedlicher Arten von Materie und den Weltspuren siehst?«
    Paphlagon sagte: »Die kosmogonischen Prozesse, die zur Schaffung des Stoffes führen, aus dem wir bestehen – die Schaffung von Protonen und anderer Materie, ihre Zusammenballung zu Sternen und die daraus sich ergebende Nukleosynthese -, scheinen allesamt von den Werten bestimmter physikalischer Konstanten abzuhängen. Das bekannteste Beispiel ist die Lichtgeschwindigkeit, aber es gibt noch mehrere andere – insgesamt etwa zwanzig. Früher, als man uns noch die entsprechende Ausrüstung zugestanden hat, haben Theoren eine Menge Zeit damit zugebracht, deren genaue Werte zu messen. Hätten diese Zahlen andere Werte, wäre der Kosmos, wie wir ihn kennen, nicht entstanden; er wäre bloß eine unendliche Wolke von dunklem, kaltem Gas oder ein einziges großes schwarzes Loch oder sonst etwas sehr Schlichtes und Langweiliges. Wenn ihr euch diese Naturkonstanten als Knöpfe auf dem Steuerpult einer Maschine vorstellt, tja, dann müssen die Knöpfe alle in genau der richtigen Position stehen, sonst …«
    Wieder suchte sein Blick Moyra, die bereit zu sein schien: »Suur Demula hat das Ganze mit einem Safe mit Kombinationsschloss
verglichen, wobei die Kombination ungefähr zwanzig Zahlen lang ist.«
    »Wenn ich Demulas Analogie folge«, sagte Zh’vaern, »so entspricht jede dieser zwanzig Zahlen dem Wert einer dieser Naturkonstanten wie etwa der Lichtgeschwindigkeit.«
    »Richtig. Wenn man aufs Geratewohl zwanzig Zahlen wählt, bekommt man den Safe nie auf; dann ist er für einen nichts weiter als ein träger Eisenwürfel. Selbst wenn man neunzehn Zahlen korrekt wählt und die letzte falsch – tut sich nichts. Man muss sie alle korrekt wählen. Dann öffnet sich die Tür, und heraus kommt die ganze Komplexität und Schönheit des Kosmos.«
    »Eine andere Analogie«, fuhr Moyra fort, nachdem sie einen Schluck Wasser genommen hatte, »wurde von Saunt Conderline entwickelt, der sämtliche Kombinationen von Werten dieser zwanzig Konstanten, die keine Komplexität hervorbringen, mit einem Ozean verglich, der tausend Meilen breit und tief ist. Die Kombinationen, die Komplexität hervorbringen, gleichen einem Ölfilm, nicht breiter als ein Blatt, der auf diesem Ozean schwimmt: eine äußerst dünne Schicht von Möglichkeiten, die feste, stabile Materie ergeben, die geeignet ist, mit Lebewesen bevölkerte Universen entstehen zu lassen.«
    »Ich bevorzuge Conderlines Analogie«, sagte Paphlagon. »Die verschiedenen Kosmen, in denen Leben möglich ist, entsprechen verschiedenen Stellen auf diesem Ölfilm. Die Erfinder des Neustoffs haben Wege ersonnen, sich ein kleines Stückchen weit zu benachbarten Punkten auf diesem Ölfilm zu bewegen, wo die Materie geringfügig andere Eigenschaften aufwies. Das meiste von dem Neustoff, den sie schufen, war zwar anders, aber eigentlich nicht besser als die natürlich vorkommende Materie. Nach viel geduldiger Arbeit und Mühe waren sie imstande, in nahegelegene Bereiche des Ölfilms zu gelangen, wo die Materie besser, nutzbringender war als das, womit uns die Natur versorgt hat. Und ich glaube, dass Fraa Erasmas hier bereits eine Meinung dazu hat, woraus die Geometer bestehen.«
    Ich war so wenig darauf gefasst, meinen Namen zu hören, dass ich mich einige Sekunden lang nicht einmal rührte. Fraa Paphlagon sah mich an. Um mich aus meiner Erstarrung zu reißen, fügte er hinzu: »Dein Freund Fraa Jesry war so

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