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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Platz – aufgrund seiner Stimme schloss ich auf einen Mann – und machte eine Geste. Sein Servitor, eine Säule aus schwarzem Stoff, schob sich vorwärts, entwickelte ein Pseudopodium und nahm seinen Teller – zur sichtlichen Erleichterung der beiden neben ihm Sitzenden. »Ich kann kaum glauben, dass wir hier über eine derart unvorstellbare Möglichkeit wie die sprechen, dass andere Universen existieren – und dass die Geometer von dort herstammen!«
    In diesem Punkt schien er für den ganzen Tisch zu sprechen.
    Mit Ausnahme von Jad. »Die Worte gehen ins Leere. Es gibt, kraft der Definition des Wortes Universum, nur ein Universum. Es ist nicht der Kosmos, den wir durch unsere Augen und unsere Teleskope sehen – der ist nur ein einzelnes Narrativ, ein Faden, der sich durch einen Hemnraum windet, den viele andere Narrative neben unserem gemeinsam haben. Jedes Narrativ nimmt sich für jedes Bewusstsein, das daran teilhat, wie ein alleiniger Kosmos aus. Die Geometer sind von anderen Narrativen gekommen – bis sie hierhergekommen sind und sich unseren angeschlossen haben.«
    Nachdem er diese Bombe hatte platzen lassen, entschuldigte sich Fraa Jad und ging zur Toilette.
    »Was um alles in der Welt redet er da?«, wollte Fraa Lodoghir wissen. »Das hörte sich ja wie Literaturkritik an!« Aber aus seinen Worten klang keine Verachtung; er war fasziniert.
    »Vielleicht hat sich also dieses Messale bereits in das verwandelt, was seine Kritiker davon behaupten«, sagte Ignetha Foral. Und nachdem sie diese Herausforderung vorgebracht hatte, wandte sie sich dem Thema der Forschungen zu, die sie vor Jahren als Unarierin durchgeführt hatte.
    Paphlagon war in seinem siebten Lebensjahrzehnt, sah eher eindrucksvoll als attraktiv aus und war zweifellos daran gewöhnt, in jedem gegebenen Raum die ranghöchste und bedeutendste Persönlichkeit zu sein. Er saß mit schmalem, ironischem Lächeln da und starrte in die Tischmitte – fand sich gut gelaunt damit ab, Fraa Jads Dolmetscher zu sein. »Fraa Jad«, sagte er, »spricht vom Hemnraum.
Wahrscheinlich ist es nur gut, dass er das Thema früh aufs Tapet gebracht hat. Der Hemnraum oder Konfigurationsraum ist das Modell, nach dem fast alle Theoren über die Welt nachdenken. Während des Praxischen Zeitalters wurde deutlich, dass es einen besseren Ort für uns gibt, unserer Arbeit nachzugehen, also brachen wir unsere Zelte ab, ließen den dreidimensionalen adrakhonischen Raum hinter uns und zogen dorthin. Wenn ihr von Paralleluniversen sprecht, versteht euch Fraa Jad so wenig wie ihr ihn.«
    »Vielleicht kannst du dann ein paar Worte zum Hemnraum sagen, wenn er so wichtig ist«, schlug Ignetha Foral vor.
    Wieder setzte Paphlagon jene ironische Miene auf und seufzte. »Frau Ministerin, ich versuche, mir eine Möglichkeit einfallen zu lassen, wie ich das Ganze so zusammenfassen kann, dass dieses Messale nicht in eine jahrelange Theorik-Suvin ausartet.«
    Und er legte mutig mit einem Grundkurs über den Hemnraum los. Er lernte, sich jedes Mal auf Suur Moyra zu verlassen, wenn ihm keine Möglichkeit einfiel, irgendeine abstruse Vorstellung zu erklären. Häufig konnte sie ihm aus der Patsche helfen. Dass sie eine angenehme Gesellschaft war, hatte sie bereits unter Beweis gestellt. Und dank des riesigen Wissensfundus, den sie als Loritin in ihrem Kopf herumtrug, war sie gut darin, Dinge zu erklären; sie konnte stets auf eine nützliche Analogie oder klare Argumentationsfolge zurückgreifen, die irgendein Fraa oder irgendeine Suur in mehr oder weniger ferner Vergangenheit niedergeschrieben hatte.
    Mittendrin wurde an meinem Seil gezogen, an dessen Ende ich, in die Küche zurückgekehrt, Emman Beldo fand. Zh’vaern Servitor stand am Ofen und rührte im Rätseltopf, und so kamen Emman und ich wortlos überein, uns ans andere Ende der Küche, in die Nähe der offenen Tür zum Garten, zurückzuziehen. »Wovon zum Teufel reden wir hier eigentlich?«, wollte Emman wissen. »Ist das so eine Art ›Reise durch die vierte Dimension‹-Szenario?«
    »Ah, gut, dass du fragst«, sagte ich, »denn das ist es genau nicht - der Hemnraum ist alles andere. Du redest von der alten Geschichte, wo ein Haufen separater dreidimensionaler Universen wie Blätter in einem Buch aufeinandergestapelt sind und man sich zwischen ihnen hin und her bewegen kann …«
    Emman nickte. »Indem man auf irgendeine Methode kommt, sich durch die vierte räumliche Dimension zu bewegen. Aber die Geschichte mit dem Hemnraum ist

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