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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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während die Leute sich in verwunderten Ausrufen und Spekulationen ergingen.
    »Nun gut«, sagte ich, »du befindest dich also mit den pingeligsten und aufmüpfigsten Zellenleitern in einem Lukub irgendwo in einem Schreibsaal …«
    »Sie sind übrigens ganz wunderbar!«, warf Ala ein.
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte ich. »Aber sie wollen allesamt diese Themen vertiefen – und im selben Augenblick erfährst du von der armen Frau aus Antarkt, die ihr Leben geopfert hat …«
    »Und davon, was Orolo für sie getan hat«, erinnerte sie mich. Und an dieser Stelle musste sie einige Augenblicke lang zu reden aufhören, denn unversehens hatte Trauer sie überwältigt. Wir sahen zu – oder taten so -, wie Avot zu ihren Plätzen zurückkamen, jeder mit einem Rucksack über einer Schulter und einer Art Marke oder Platte um den Hals.
    »Wie auch immer«, sagte sie mit belegter Stimme und hielt inne, um sich zu räuspern. »So etwas Seltsames hatte ich noch nie erlebt. Ich hatte damit gerechnet, dass wir bis zum Morgengrauen reden und niemals zu einem Konsens kommen würden. Aber es passierte das genaue Gegenteil. Wir hatten von vornherein einen Konsens. Alle wussten einfach, dass wir mit der Fraktion Kontakt aufnehmen mussten, die diese Frau geschickt hatte. Und selbst wenn die Säkularen so etwas nie erlauben würden, tja, sobald wir zum Antischwarm geworden waren …«
    »Konnten sie ohnehin nichts tun, um euch daran zu hindern.«
    »Genau.«
    »Lio hat davon gesprochen, dass man mithilfe der Laserleitstern-Anlage an den großen Teleskopen Signale senden könnte?«
    »Ja. Das ist im Gespräch. Einige machen es vielleicht sogar schon, was weiß ich.«

    »Wessen Idee war das?«
    Sie zögerte mit der Antwort.
    »Versteh mich nicht falsch!«, beruhigte ich sie. »Es ist eine glänzende Idee.«
    »Es war Orolos Idee.«
    »Aber du hast doch gar nicht mit ihm reden können …!«
    »Orolo hat es sogar getan«, sagte Ala widerstrebend und behielt mich dabei genau im Auge, um festzustellen, wie ich darauf reagieren würde. »Von Edhar aus. Letztes Jahr. Einer von Sammanns Kollegen ist zum M & M hinaufgestiegen und hat den Beweis gefunden.«
    »Den Beweis?«
    »Orolo hatte die Laserleitstern-Anlage am M & M so programmiert, dass sie ein Analemma in den Himmel schrieb.«
    Vor einer Woche oder einem Monat hätte ich noch Stein und Bein geschworen, dass das unmöglich stimmen konnte. Aber jetzt nicht mehr. »Lodoghir hatte also recht«, seufzte ich. »Was er Orolo im Plenar vorgeworfen hat, stimmte haargenau.«
    »Entweder das«, sagte Ala, »oder er hat die Vergangenheit geändert.«
    Ich lachte nicht.
    »Du solltest auch wissen«, fuhr sie fort, »dass Lodoghir dieser Gruppe angehört, von der ich dir erzählt habe.«
    »Fraa Erasmas von Edhar«, rief die Stimme über den Lautsprecher.
    »Tja«, sagte ich. »Dann stelle ich mal lieber fest, in welche Zelle du mich gesteckt hast.«
    Sie schüttelte den Kopf. »So läuft das nicht. Das weißt du erst, wenn es so weit ist.«
    »Wie kann sich die Zelle zusammenfinden, wenn wir nicht wissen, nach wem wir Ausschau halten müssen?«
    »Wenn das passiert – wenn der Befehl dazu ergeht -, wird sich deine Marke aktivieren und dir sagen, wohin du gehen sollst. Wenn du dorthin kommst«, sagte Ala, »sind die anderen Leute, die du dort sehen wirst, der Rest deiner Zelle.«
    Ich zuckte die Achseln. »Kommt mir ziemlich vernünftig vor.« Denn ihre Stimmung hatte sich plötzlich verdüstert und ich wusste nicht, warum. Sie langte über den Tisch und packte meine Hand. »Sieh mich an«, sagte sie. »Sieh mich an.«

    Als ich sie ansah, bemerkte ich Tränen in ihren Augen und einen Ausdruck in ihrem Gesicht, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Vielleicht hatte mein Gesicht genauso ausgesehen, als ich durch die offene Tür des Luftfahrzeugs hinabgeschaut und Orolo erkannt hatte. Mit diesem Gesicht sagte sie mir etwas, das in Worte zu fassen ihre Kraft überstieg. »Wenn du an diesen Tisch zurückkommst, werde ich nicht mehr da sein«, sagte sie. »Wenn ich dich nicht mehr sehe, bevor es passiert« – und ich spürte, dass das für sie feststand -, »musst du wissen, dass ich eine schreckliche Entscheidung getroffen habe.«
    »Aber das tun wir alle, Ala! Ich müsste dir mal was von meinen jüngsten schrecklichen Entscheidungen erzählen!«
    Aber sie war schon dabei, sich von mir zu lösen, wollte mich durch schiere Willenskraft dazu zwingen, ihre Worte zu verstehen.
    »Gibt es keine

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