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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gleichschenklige Dreiecke zeitlose Wahrheiten sehen«, sagte Lodoghir. »Eigentlich dürfte mich die ständig zunehmende Großspurigkeit dieser Behauptungen nicht überraschen, aber verlangst du jetzt nicht von uns, etwas noch Kolossaleres zu glauben? Verbessere mich, wenn ich unrecht habe: Aber hast du nicht gerade versucht, die Perkolation von Informationen über den Docht mit der biologischen Evolution zu verknüpfen?«
    Betretenes Schweigen.
    »Du glaubst doch an die Evolution, oder?«, fuhr Lodoghir fort.
    »Ja, obwohl sich das für jemanden wie Protas, der schlichtweg mystische, heidnische Ansichten zur HTW und so weiter hatte, vielleicht seltsam angehört hätte«, sagte Paphlagon, »aber jede moderne Version des Protismus muss sich mit gesicherten Theorien nicht nur der Kosmographie, sondern auch der Evolution vereinbaren lassen. Mit dem polemischen Teil deiner Äußerung bin ich allerdings nicht einverstanden, Fraa Lodoghir. Das ist keine weiter gefasste Behauptung, sondern eine enger gefasste, vernünftigere.«
    »Oh, ich bitte um Entschuldigung! Ich dachte, wenn man mehr behauptet, ist das eine weiter gefasste Behauptung.«
    »Ich behaupte nur das, was vernünftig ist. Das ist – worauf du in deinem Plenar mit Fraa Erasmas selbst hingewiesen hast – in aller Regel die am engsten gefasste im Sinne von am wenigsten komplizierte Behauptung. Ich behaupte, dass Informationen sich auf eine Weise durch den Docht bewegen, die der Art und Weise, wie sie sich von der Vergangenheit in die Gegenwart bewegen, irgendwie analog
ist. Eines, was sie bei dieser Bewegung tun, ist, dass sie physikalisch messbare Veränderungen in Nervengewebe hervorrufen …«
    »Das«, sagte Suur Asquin, nur zur Verdeutlichung, »ist der Teil, wo wir Wahrheiten über Knoons erkennen.«
    »Ja«, sagte Paphlagon, »und woher wir die HTW und den theorischen Protismus haben, die Fraa Lodoghir so sehr liebt. Aber Nervengewebe ist bloß Gewebe, es ist bloß Materie, die Naturgesetzen gehorcht. Es ist nicht magisch oder spirituell, ganz gleich was ihr von meinen Meinungen dazu haltet.«
    »Ich bin ja so erleichtert, das zu hören!«, sagte Lodoghir. »Bis Fraa Erasmas mir mein Dessert bringt, werde ich dich zum prokischen Lager bekehrt haben!«
    Paphlagon blieb einen Moment lang stumm, bis das Gelächter sich gelegt hatte, dann fuhr er fort: »Ich kann das alles, was ich gesagt habe, nicht glauben, ohne irgendeinen nicht mystischen, theorisch verständlichen Mechanismus zu postulieren, mittels dessen die ›mehr hyläischen‹ Welten physische Veränderungen in den ›weniger hyläischen‹ Welten hervorrufen können, die im Docht ›stromabwärts‹ von ihnen liegen. Und ich sehe auf den ersten Blick keinen Grund für die Annahme, dass alle diese Interaktionen mit gleichschenkligen Dreiecken zu tun haben und dass es sich bei der einzigen Materie im ganzen Kosmos, die jemals davon betroffen ist, zufällig um Nervengewebe im Gehirn von Theoren handelt! Das wäre allerdings eine kühne Behauptung, und eine ziemliche seltsame noch dazu!«
    »Wir sind uns in etwas einig!«, sagte Lodoghir.
    »Eine im Sinne von Gardans Waage sehr viel ökonomischere Behauptung wäre, dass dieser Mechanismus – worin auch immer er besteht – auf jederlei Materie einwirkt, ob sie nun Teil eines lebenden Organismus – oder eines Theors! – ist oder nicht. Nur ist hier eben eine Verzerrung durch Beobachtungsfehler wirksam.«
    Ein paar Köpfe nickten.
    »Verzerrung durch Beobachtungsfehler?«, fragte Zh’vaern.
    Suur Asquin wandte sich ihm zu und sagte: »Sternenlicht fällt ständig – auch zur Mittagszeit – auf Arbre, aber wenn wir die ganze Nacht schliefen, würden wir niemals von der Existenz der Sterne erfahren.«
    »Ja«, sagte Paphlagon, »und so wie der Kosmograph nur an einem dunklen Himmel Sterne sehen kann, können wir den Hyläischen
Fluss nur beobachten, wenn er sich als Wahrnehmungen von Knoons in unserem bewussten Verstand manifestiert. Wie Sternenlicht zur Mittagszeit ist er immer vorhanden, immer wirksam, wird aber nur im Kontext der reinen Theorik wahrgenommen und als etwas Bemerkenswertes identifiziert.«
    »Äh, da ihr Edharier euch so geschickt darauf versteht, Behauptungen in euren Reden zu verstecken, möchte ich etwas klären«, sagte Lodoghir. »Hast du gerade die Behauptung aufgestellt, dass der Hyläische Fluss für die parallele Evolution von Arbrern und Geometern verantwortlich ist?«
    »Ja«, sagte Paphlagon. »Wie ist das als

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