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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ablenkungsmanöver sorgen.«
    »Wir lenken sie ab«, übersetzte ich, »während irgendeine andere Technik eingesetzt wird, um die Allestöter zu verabreichen.«
    Lio nickte.
    »Das ist ja sehr erhebend«, sagte ich.
    Er zuckte die Achseln. »Ich kann mich auch irren«, erwiderte er.
    Mir war sehr danach, hinauszugehen und ein wenig frische Luft
zu schnappen. Stattdessen ging ich ein wenig zwischen den Bankreihen auf und ab. Jules Verne Durand schlief. Neben ihm war Sammann über sein Nicknack gebeugt. Hatte es nicht geheißen, es sei gestört? Ein Blick über seine Schulter zeigte mir, dass er irgendeine Berechnung anstellte.
    Als ich Jesry über die Schulter blickte, sah ich, dass er wirklich und wahrhaftig das Handbuch für einen Raumanzug las. Ich musste zweimal hinsehen, aber es verhielt sich tatsächlich so. Eine Reihe neben ihm saß Suur Vay und brütete über zahlreichen gleichartigen Unterlagen, die sie von Zeit zu Zeit mit ihm tauschte. Die anderen Thaler schliefen. Fraa Jad war wach und sang, obwohl meine Ohren Mühe hatten, sein Dröhnen von dem der Maschinen zu unterscheiden. Ich verlegte mich wieder darauf, aus dem Fenster zu starren.
    Wir überquerten einen alten, zerklüfteten Gebirgszug und schossen hinaus über eine braune Weite, die sich bis zum Horizont erstreckte: das von der Sommersonne gebräunte Gras der Steppe. Das Luftfahrzeug ging in den Sinkflug. Unter uns blitzte ein Fluss auf. Dann der Industriegürtel einer mäßig großen Stadt. Wir landeten auf einem Militärflugplatz, der sich ewig hinzuziehen schien, da Land hier ebenso reichlich vorhanden wie flach war und keinerlei Anreiz bestand, Dinge kompakt zu gestalten.
    Ein Militärtromm mit Plane über der Ladefläche kam uns abholen. Wir hatten keine Fenster und konnten nicht nach vorn hinaussehen, doch durch die Öffnung auf der Rückseite beobachteten wir, wie sich in unserem Staub eine nicht allzu wohlhabende Stadt breit machte. Auf den Durchgangsstraßen befanden sich mehr Tiere, als wir es gewohnt waren, und mehr Menschen trugen Lasten, die man anderswo vielleicht fahrbaren Untersätzen anvertraut hätte. Plötzlich verdichtete sich alles und wurde alt, bestand nur noch aus gelben, mit mehrfarbigen Fliesen geschmückten Ziegeln. Ein schwerer Schatten strich über uns hinweg, als würden wir aus der Luft angegriffen. Aber nein, wir hatten nur einen Bogen in einer dicken Mauer durchfahren. Drei aufeinanderfolgende Tore wurden hinter uns geschlossen und verriegelt. Das Fahrzeug hielt auf einem mit Platten belegten Platz. Wir stiegen aus und fanden uns auf einem Hof wieder, der von einem alten, vier Stockwerke hohen Gebäude eingefasst war: Stein, Ziegel und Schmiedeeisen, abgemildert von Kaskaden blühender Reben an Stämmen, so dick wie meine Taille. Ein Brunnen in der Mitte lieferte Wasser für sie und für knorrige
Obstbäume, die in Töpfen wuchsen und Schattentümpel warfen, ohne die der Hof ein unangenehmer Aufenthaltsort gewesen wäre.
    »Willkommen in der Karawanserei von Elkhazg«, sagte eine Stimme in kultiviertem Orth. Wir drehten uns um und erblickten einen alten Mann im Schatten eines Baumes: einen Mann, der insofern nicht hierherzugehören schien, als er einer ethnischen Gruppe angehörte, die man in einem anderen Teil von Arbre vorzufinden erwartete. »Ich bin der Heritor. Mein Name ist Magnath Foral, und ich freue mich, als euer Gastgeber zu fungieren.«
    Nachdem wir uns vorgestellt hatten, lieferte uns Magnath Foral einen kurzen Abriss der Geschichte von Elkhazg. Ich gab mir keine Mühe, dem allen zu folgen, da ich nur ein paar Stichworte und Hinweise brauchte, um zu rekonstruieren, was man mir als Fid über den Ort beigebracht hatte. Es handelte sich um einen der ältesten kartasischen Mathe, gegründet von Fraas und Suurs, die persönlich den Fall von Baz miterlebt und Ma Kartas gekannt hatten. Sie waren durch Wälder und über Berge gezogen, um dieses Ding mehr oder weniger mitten im Nirgendwo zu bauen, an einem toten Arm einige Meilen vom Hauptlauf eines Flusses entfernt. Nicht weit weg überquerte eine Handelsroute von Osten her den Fluss – nahe genug, um ihnen, falls nötig, die Teilnahme am Handelsverkehr zu ermöglichen, aber nicht so nahe, dass sie eine Ablenkung oder Bedrohung darstellte. Jahrhunderte später verursachte ein rauer Winter, gefolgt von einem stürmischen Frühjahr, irgendeine Katastrophe im Zusammenhang mit Eisdämmen, die den Lauf des Flusses änderte und den toten Arm in ein aktives Bett

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