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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hatte man ja weit hinter sich gelassen -, wurde die Beziehung zwischen Gan und Prag instabil und entwickelte sich weiter. Auf einfache Weise lässt es sich so ausdrücken, dass der Gan so etwas wie eure Avot und der Prag so etwas wie eure Säkulare Macht wurde. Dieser Zustand trat im Laufe von nur einer einzigen Generation ein, erwies sich jedoch als außerordentlich stabil und hat sich seither nicht mehr geändert. Die Kleidung, die ich trage, unterscheidet sich nur ganz wenig von der Ausgehuniform, welche die Gans der Hochseeflotten von Urnud vor Tausenden von Jahren getragen haben. Allerdings nicht an Bord, da es schwierig ist, in langen Gewändern zu schwimmen.«
    Humor war das Letzte, womit ich hier rechnete, weshalb Verblüffung der Heiterkeit zuvorkam und ich zu wenig und zu spät kicherte.
    »Der zweite Gan war von Krankheit geschwächt und diente daher nur sechs Jahre. Der dritte war ein junger Protégé des ersten; seine Karriere war lang, und dank seiner starken Persönlichkeit und seiner ungewöhnlichen Intelligenz gewann er etwas von der Macht zurück, die sein Amt an das der Prags hatte abtreten müssen. Spät in seiner Karriere nahm er euren Ruf wahr und traf die Entscheidung, die Flugbahn der Daban Urnud zu ändern, sodass sie – wie er sich das vorstellte – in die Vergangenheit fliegen würde. Denn die Signale, die er und die anderen auffingen, fassten sie als Stimmen der Vorfahren auf, die sie nach Hause riefen, damit sie das Urnud schufen, das hätte sein sollen, aber wegen der Torheiten seiner Führer niemals Wirklichkeit geworden war.
    Ich nehme an, ihr habt schon eine gewisse Vorstellung von den Fahrten, die dann folgten, den Adventen auf Tro, Erde und Fthos
und ihren jeweiligen Folgen. Meine Absicht ist nicht, diese ganze Geschichte wiederzukäuen, sondern von unseren Handlungen hier zu berichten.«
    »Es wäre nützlich«, sagte Fraa Jad, »zu erfahren, was mit dem Himmelswart geschehen ist.«
    »Schon seit langer Zeit«, sagte Gan Odru, der nun in einen niedrigeren Gang schaltete, da er nicht mehr von seinen Aufzeichnungen ablas, sondern frei formulierte, »ist die Beziehung zwischen den Gans und den Prags vergiftet. Die Prags haben gesagt, der dritte Gan habe sich schlicht geirrt. Sämtliche Fahrten der Daban Urnud seien ohne Sinn gewesen – einfach die endlose Folge eines alten Irrtums. In dieser Überzeugung sahen sie ihren einzigen Lebenszweck in der Selbsterhaltung. Diejenigen, die so denken, wollen sich einfach irgendwo ansiedeln und weiterleben. Und bei jedem Advent tun das auch einige. Wir haben Urnuder auf Tro und Troäner auf der Erde zurückgelassen und so weiter. Sie finden Lebensmöglichkeiten, obwohl diese Kosmen nicht die ihren sind. Deshalb erlebt die Fraktion der Zyniker, derjenigen, die glauben, das Ganze sei ein sinnloser Irrtum, bei jeder Ankunft einen großen Aderlass. Zugleich schließen sich uns aus dem neuen Kosmos diejenigen an, die an die Suche glauben. Dann wird das Schiff neu gebaut und fliegt in den nächsten Kosmos ab. Zunächst haben die Gans Macht und die Prags tun, was sie ihnen befehlen. Aber die Reise ist lang, die Suche wird im Lauf der Generationen vergessen, die Prags gewinnen und die Gans verlieren Macht. Seit langem sind Sockel und Fulcrum unsere Bezeichnungen für diese beiden Tendenzen. Und so seht ihr mich hier praktisch alleine an diesem zeremoniellen Ort, wo ich tue, was meine Vorgänger getan haben, doch wenig geachtet und ohne Macht.
    So kamen wir nach Arbre. Prag Eshwar, meine Gegenspielerin, und ihre Gefolgsleute haben euren Planeten lediglich als eine weitere Zivilisation betrachtet, deren Ressourcen man rauben konnte, damit sich das Schiff neu bauen und die Reise fortsetzen ließ. Doch Eshwar ist eine intelligente Frau, die sich in unserer Geschichte auskennt und wohl weiß, dass der Sockel und der Prag bei einem Advent tendenziell Macht an das Fulcrum und den Gan verlieren. Sie arbeitete bereits an einer Taktik, um dem zuvorzukommen.
    Als der Himmelswart zu uns kam, war klar, dass es sich um einen Narren, einen Scharlatan handelte. So viel wussten wir natürlich
bereits aufgrund unserer Beobachtung der Populärkultur von Arbre. Und Prag Eshwar hatte bereits einen Plan ersonnen, den vorauszuahnen ich zu dumm gewesen war, den Plan nämlich, Vergleiche zwischen mir und diesem Himmelswart zu ziehen. Damit seine Dummheit, seine Falschheit auf mich abfärbte.
    Und so brachte man den Himmelswart in seinem Raumanzug hierher. Er wollte ihn

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