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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Bad eine plötzliche Eingebung gekommen oder sie habe eine Ahnung, die ihr sagt, sie sollte einen Kurs einschlagen, der sicherer ist.«
    »Und das ist etwas, was ihr bewirkt habt!?«, sagte Gan Odru, und es klang eher nach einem Ausruf als nach einer Frage. Von Fraa Jad bekam er wenig Zufriedenstellendes, weshalb er sich mir zuwandte. Ich weiß nicht, was er in meinem Gesicht sah. Irgendeine Mischung aus Ratlosigkeit und Entsetzen. Denn ich hatte gerade flüchtig ein alternatives Narrativ erblickt, in dem wir entsetzliche Zerstörung über eine der Kugeln gebracht hatten.
    »Dass wir Prag Eshwar ein Signal senden könnten – ist das so schwierig für dich zu glauben, Gan Odru, den Heritor einer tausend Jahre alten Tradition, die auf dem Glauben fußt, dass meine Vorgänger dich hierher gerufen haben?«
    »Vermutlich nicht. Aber nach so langer Zeit fällt es auch leicht, Zweifel zu hegen. Sich das Ganze als Religion zu denken, deren Gott gestorben ist.«
    »Es ist gut, daran zu zweifeln«, sagte Fraa Jad. »Immerhin bestand der Fehler des Himmelswarts darin, nicht zu zweifeln. Aber man muss das Ziel seines Zweifels mit Sorgfalt wählen. Euer dritter Gan ist auf einen Fluss von Informationen aus einem anderen Kosmos gestoßen, die er als kryptische Botschaft von seinen Ahnen verstanden hat. Seither haben eure Prags beide Hälften der Geschichte bezweifelt. Du glaubst nur eine Hälfte nicht: dass das Signal von euren Ahnen stammt. Aber du kannst trotzdem glauben, dass es das Signal wirklich gibt, während du die falschen Vorstellungen des dritten Gan hinsichtlich seines Ursprungs verwirfst. Glaube also, dass Informationen – der Hyläische Fluss – zwischen Kosmen fließen.«
    »Aber, wenn ich fragen darf – habt ihr die Fähigkeit erworben, dieses Signal zu modulieren, auf diese Weise Botschaften zu schicken?«
    Ich war ganz Ohr. Aber Fraa Jad blieb stumm. Gan Odru wartete einige Momente lang, dann sagte er: »Das haben wir ja wohl schon festgestellt, nicht wahr? Offenbar seid ihr irgendwie in Prag Eshwars Kopf hineingekommen.«
    »Was für ein Signal hat denn der dritte Gan vor neun Jahrhunderten empfangen?«, fragte ich.

    »Eine Prophezeiung, in der von schrecklicher Verwüstung die Rede war. Von Massakern an Priestern in langen Gewändern, von niedergerissenen Kirchen, von brennenden Büchern.«
    »Wie ist er auf die Idee gekommen, dass das aus der Vergangenheit stamme?«
    »Die Kirchen waren riesig. Die Bücher in unvertrauter Schrift geschrieben. Einige ihrer brennenden Blätter zeigten geometrische Beweise, die uns unbekannt waren – jedoch später von unseren Theoren verifiziert wurden. Auf Urnud besaßen wir Legenden von einem verlorenen, mythischen Goldenen Zeitalter. Er hat angenommen, ihm würde Einblick in dieses Zeitalter gewährt.«
    »Dabei hat er in Wirklichkeit die Dritte Verheerung gesehen«, sagte ich.
    »Ja, so scheint es«, sagte Gan Odru. »Und meine Frage lautet: Habt ihr uns die Visionen geschickt, oder ist das einfach geschehen?«
    Wir sind gekommen … Du hast uns gerufen, und wir sind gekommen. War er der letzte Priester einer falschen Religion? War er auch nichts anderes als der Himmelswart?
    »Die Antwort ist mir nicht bekannt«, sagte Fraa Jad. Er wandte sich mir zu. »Du wirst selbst danach suchen müssen.«
    »Was ist mit dir?«, fragte ich ihn.
    »Ich bin hier fertig«, sagte Fraa Jad.

Teil 12
    REQUIEM

    I rgendetwas drückte kräftig gegen meinen Rücken – drückte mich unter Beschleunigung vorwärts. Das konnte nicht gut sein. Nein, es war bloß die Schwerkraft oder irgendein passables Faksimile, die mich hinunterzog und gegen irgendein flaches, festes Ding drückte. Mir war entsetzlich kalt. Ich begann zu zittern.
    »Puls und Atmung sehen normaler aus«, sagte eine Stimme auf Orth. »Sauerstoffsättigung steigt.« Jules übersetzte das in eine andere Sprache. »Körperkerntemperatur gelangt in einen Bereich, der mit Bewusstsein vereinbar ist.«
    Vielleicht war das ja mein Bewusstsein, von dem sie da redeten. Ich schlug die Augen auf. Das Gleißen verblasste. Ich befand mich in einem kleinen, aber durchaus hübschen Raum. Auf der Kante meines Bettes saß Jules Verne Durand, der sauber und elegant aussah. Dies verstärkte mehr als alles andere den vagen Eindruck, dass viel Zeit vergangen war. Ich war an einen Haufen Apparate angeschlossen. Unter meiner Nase klemmte ein Schlauch, der mir etwas Kaltes, Trockenes und Süßes in die Nasenlöcher blies. Ein Arzt – von Arbre! –

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