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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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aufs Geratewohl für eine Zahl entschieden«, sagte er.
    Ich hatte nur vier Pieptöne von dem Tastenfeld gehört. Nur eine vierstellige Zahl. Nur zehntausend mögliche Kombinationen. Wenn es also zehntausend Jads in zehntausend Verzweigungen der Weltspur gab … und ich das Glück hatte, mit dem richtigen zusammen zu sein …
    Sonnenlicht schien durch die Bohrung des Ventils. Ich drückte mich flach dagegen und schaute aus einer halben Meile Höhe hinab auf offenes Wasser, Vegetation und Gebäude.
    Dieses Mal waren Leitersprossen in die Bohrung des Ventils eingelassen. Wir kletterten daran hinunter, noch während das Ventil in seine Endposition einrastete, und gelangten auf einen ringförmigen, an der Decke der Kugel aufgehängten Laufsteg, der die Öffnung umgab – das Rundfenster in einer riesigen, sphärischen Kuppel, ein kleiner Himmel in einer kleinen Welt. Eine Treppe führte zu ihm hinauf. Männer mit Waffen kamen die Treppe heraufgestürmt, sehr erpicht darauf, uns zu begrüßen. Als Fraa Jad dies sah, nahm er seine Atemschutzmaske ab. Sinnlos, die Verkleidung jetzt noch beizubehalten. Ich tat das Gleiche.
    Zwei an Schrotflintenläufen entlangvisierende Soldaten erreichten den Laufsteg. Einer bewegte sich aggressiv auf Fraa Jad zu. Ich trat instinktiv vor und hob die Hände. Ein kleiner silberner Gegenstand in Fraa Jads Hand erregte meine Aufmerksamkeit – so etwas wie ein Nicknack, ausgerechnet! Der andere Soldat drehte sich mir zu und schwang den Kolben seiner Waffe herum, der mich am Kiefer traf. Ich fiel rückwärts über das Geländer und spürte, wie meine alte Freundin, die Schwerelosigkeit, mich wieder in die Arme schloss, während ich in den freien Fall mitten durch die Kugel überging. In meinen Eingeweiden passierte etwas ganz und gar Verkehrtes.
Gleich darauf hörte ich den Knall einer Schrotflinte. Hatte man auf mich geschossen? Angesichts meiner Situation unwahrscheinlich. Wieder trübte sich mein Blick, und meine Eingeweide fingen Feuer und schmolzen.
    Sie hatten Fraa Jad erschossen. Die Allestöter waren eingeschaltet worden. Ich war zu einer Atomwaffe geworden, einer dunklen Sonne, die tödliche Strahlung auf die Wohnungen und bebauten Terrassen der urnudischen Gemeinschaft unten sprühte.
    Wir hatten unsere Mission erfüllt.
    Vorbote: Eine von drei Katastrophen, die in den letzten Jahrzehnten des Praxischen Zeitalters den größten Teil von Arbre verschlangen und später als Vorläufer oder Ankündigungen der Schrecklichen Ereignisse gesehen wurden. Worum es sich bei den Vorboten genau handelte, ist wegen der Vernichtung einschlägiger Aufzeichnungen (viele davon waren auf syntaktischen Vorrichtungen gespeichert, die später zu funktionieren aufhörten) schwer zu ermitteln, doch man ist allgemein der Ansicht, dass der Erste Vorbote ein weltweiter Ausbruch gewaltsamer Revolutionen, der Zweite ein Weltkrieg und der Dritte ein Völkermord war.
    DAS WÖRTERBUCH, 4. Auflage, A. R. 3000
    »Wir sind gekommen«, sagte der Mann in den langen Gewändern. »Du hast uns gerufen, und wir sind gekommen.« Er sprach Orth. Nicht so gut wie Jules Verne Durand, aber gut genug, um mich vermuten zu lassen, dass er es fast ebenso lange studiert hatte. Solange wir ihn nicht mit obskuren Tempora und komplizierten Sätzen eindeckten, würde er zurechtkommen.
    Ich sage »wir«, aber ich rechnete nicht damit, viel reden zu müssen. »Warum bin ich hier?«, hatte ich Fraa Jad gefragt, während wir uns dem Tor des Gebäudes näherten, das in der Mitte von Kugel eins schwamm.
    »Um als Amanuensis zu dienen«, hatte er erwidert.
    »Diese Leute können autarke interkosmische Raumschiffe bauen, haben aber keine Aufzeichnungsgeräte?«

    »Ein Amanuensis ist mehr als ein Aufzeichnungsgerät. Ein Amanuensis ist ein Bewusstsein tragendes System, weshalb sich das, was er in seinem Kosmos beobachtet, in anderen Kosmen so auswirkt, wie wir das in Avrachons Dotat besprochen haben.«
    »Du bist auch ein Bewusstsein tragendes System. Und du scheinst dich viel besser auf dieses polykosmische Schachspiel zu verstehen als ich. Stehe ich da nicht ein bisschen dürftig da?«
    »In den letzten Wochen hat eine ziemliche Reduzierung stattgefunden. Mittlerweile bin ich in vielen Versionen des Kosmos abwesend, in denen du anwesend bist.«
    »Du meinst, du bist tot, und ich bin lebendig.«
    »Abwesend und anwesend drücken es besser aus, aber wenn du darauf bestehst, diese Begriffe zu verwenden, streite ich nicht mit dir herum.«
    »Fraa

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