Anathem: Roman
und Frauen, die
mit Kopfhörern hantierten, saßen an Konsolen mit Blick auf den Teich. Und wie um das zu bestätigen, machten urnudische Ordner die Runde durch unsere Delegation, in der Hand Tabletts mit Ohrstöpseln: rot für Orth, blau für Fluckisch. Ich steckte mir einen roten ins Ohr und hörte darin den vertrauten Tonfall von Jules Verne Durand. Mit einem raschen Rundblick entdeckte ich ihn in der Dolmetscherkabine über dem laterranischen Pavillon. »Das Kommando heißt die arbrische Delegation willkommen und bittet deren Mitglieder, sich zur Eröffnungszeremonie am Ufer einzufinden«, sagte er. Aufgrund seines Tonfalls hatte ich den Eindruck, dass er es schon hundert Mal gesagt hatte.
Wir hatten uns einem Teil des arbrischen Kontingents angeschlossen, der schon früher eingetroffen war, um Ordnung in die Angelegenheit zu bringen, ehe die Stars, Journalisten und Raumkommandos eintrafen und sie komplizierten. Dazu gehörte auch Ala. Die Zampanos und ihre Berater waren ebenfalls vor uns gekommen und warteten in Ufernähe in einer aufgepumpten Polyblase von der Größe eines Wohnmoduls, ein Stück weit links von der Stelle, wo wir aus dem Boulevard heraustraten. Dahinter befand sich ein Wirrwarr von Ausrüstung, darunter auch Drucklufttanks, die mit dem Schiff von Arbre heraufgeschafft worden sein mussten. Das sollte wohl ein behelfsmäßiger Pavillon sein, der unsere Zampanos symbolisch auf die gleiche Ebene hob wie die Würdenträger der Geometer. Er bestand aus derselben Sorte milchiger Polyfolie, die die Fenster meines Quarantänemoduls in Tredegarh bedeckt hatte. Ich konnte vage dunkel gewandete Gestalten um einen Tisch – ich stellte mir sie als Doyns vor – und andere, Servitoren, ausmachen, die sich an den Rändern herumdrückten oder hereinstürzten, um Dokumente entgegenzunehmen.
Eine Zeitlang beobachtete ich Ala dabei, wie sie in dieses Zelt hinein- und aus ihm herauseilte, dabei zuweilen in den künstlichen Himmel schaute und in ein Headset sprach, das sie sich dann wieder vom Kopf zog, während sie, die Hand über dem Mikrophon, von Angesicht zu Angesicht mit jemandem redete. Mich überwältigte die Erinnerung an die Zeit, die wir beide an jenem Vormittag zusammen verbracht hatten, und ich konnte an nicht viel anderes denken. Ich kam mir vor wie ein Mann mit einem lahmen Bein, der gelernt hat, sich so gut zu bewegen, dass jedes Bewusstsein von Behinderung aus seinem Denken verschwunden ist. Doch wenn er
sich auf eine Reise begibt, kehrt er immer wieder an den Anfang zurück, weil ihn sein schwaches Bein dazu bringt, im Kreis zu gehen. Wenn er jedoch eine Partnerin fände, deren anderes Bein schwach wäre, und die beiden machten sich gemeinsam auf …
Cord gab mir einen Klaps auf den Hintern. Ich fiel beinahe ins Wasser, und sie musste mich an meiner Kulle zurückziehen.
»Sie ist schön«, sagte sie, ehe ich eingeschnappt sein konnte.
»Ja. Danke. Das ist sie ganz eindeutig«, sagte ich. »Sie ist die Richtige für mich.«
»Hast du ihr das gesagt?«
»Ja. Ihr das zu sagen ist übrigens nicht das Problem. Was das angeht, musst du nicht so streng mit mir sein.«
»Aha. Gut.«
»Das Problem sind die ganzen Begleitumstände.«
»Das sind ein paar ziemlich interessante Begleitumstände!«
»Tut mir leid, dass du da so hineingezogen worden bist. Das habe ich nicht gewollt.«
»Aber es ging doch gar nicht darum, was du wolltest«, sagte sie. »Hör zu, mein Lieber, auch wenn ich jammere, ich bin gut dabei weggekommen.«
»Wie kannst du das sagen, Cord, wo du doch …«
Sie schüttelte den Kopf, streckte die Hand aus und legte mir die Fingerspitzen auf die Lippen. »Nein. Sei still. Darüber reden wir nicht.«
Ich ergriff ihre Hand und hielt sie einen Moment lang fest. »Schön«, sagte ich, »es ist dein Leben. Ich bin schon still.«
»Du sollst nicht einfach nur still sein, du sollst es mir glauben.«
»Hey!«, rief eine schroffe Stimme. »Was soll das denn, mit meiner Freundin Händchen zu halten?«
»Hey, Yul, was hast du denn seit Ekba so gemacht?«
»Die Zeit ist schnell vergangen«, sagte er, schlenderte näher heran und stellte sich hinter Cord, die sich behaglich an ihn lehnte. »Wir haben eine Menge Gratisflüge gekriegt. Die Welt gesehen. Viel Zeit damit verbracht, Fragen zu beantworten. Nach drei Tagen habe ich gesagt, was Sache ist. Dass ich keine Frage mehr beantworte, die ich schon mal beantwortet habe. Zuerst hat ihnen das gar nicht geschmeckt. Hat sie gezwungen,
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