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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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religiöse Suche daraus gemacht. Sie kommen mit unrealistischen Erwartungen hierher.«
    »Pst!«, machte Jesry. Er war direkt unter mir. Mit einer Stimme, die man in allen zwölf Kugeln hätte hören können, fuhr er fort: »Arsibalt, wenn du weiter so die Klappe aufreißt, wird Fraa Lodoghir die Erinnerung sämtlicher Beteiligter löschen müssen!«
    »Was für eine Erinnerung denn?«, sagte Lio. »Ich erinnere mich an überhaupt nichts.«
    »Das liegt dann aber nicht an irgendeiner Rhetorenzauberei«, rief Fraa Lodoghir aus, »sondern daran, dass gescheiterte Versuche, geistreich zu sein, so rasch in der Erinnerung verblassen.«
    »Wovon redet ihr eigentlich!?«, wollte Yul auf Fluckisch wissen. »Ihr verschreckt die Superstars.«
    »Wir reden darüber, was das alles bedeutet«, sagte ich. »Wieso wir genauso sind wie die.«
    »Vielleicht sind sie abgedrehter, als du annimmst«, gab Yul zu bedenken.
    »Solange sie uns nicht in Kugel eins hineinlassen, werden wir es nie erfahren.«
    »Dann geh doch in Kugel eins«, sagte Yul.
    »Er war schon dort«, witzelte Jesry.
    Wir erreichten den Boden, kletterten wie die anderen einen Luftschleusenschacht hinunter und schauten geradewegs auf den Hausbootteppich von Kugel vier hinab. Dieser wies in der Mitte eine elliptische Fläche offenen Wassers auf: eine Andeutung von Luxus, die wir in keiner der laterranischen Kugeln gesehen hatten. Vielleicht verfügten die Urnuder über eine noch produktivere Agrikultur als die anderen und konnten es sich leisten, ein wenig Raum für dekorative Zwecke zu verschwenden. Der Teich war von einem Platz umgeben, der im Augenblick großenteils von Tischen eingenommen wurde.
    »Das ist ein Zentrum zur Veranstaltung von Zusammenkünften«, erklärte Jules.
    Sofort fielen mir wieder Arsibalts Klagen über die Banalität ein. Die Außerarbrischen haben Konferenzzentren!
    Sie hatten Treppen an ihren Himmel geschweißt und sie blau gestrichen. Wir stiegen sie scheppernd hinab und wurden dabei immer schwerer. Die Architektur der Hausboote unterschied sich
nicht wesentlich von dem, was wir in den laterranischen Kugeln gesehen hatten. Es gab nur soundso viele Möglichkeiten, ein Gebilde mit flachem Dach zu bauen, das schwamm. Viele der dekorativen Schnörkel, die einen architektonischen Stil von einem anderen unterscheiden mochten, waren unter Katarakten von Früchte tragenden Ranken und schichtweise angeordneten Pergolen von Obstbäumen verborgen. Unser Pfad über den Hausbootkomplex war ein schmaler, aber gerader und unverkennbarer Boulevard zu dem elliptischen Teich; hier wanderten wir nicht von einer Terrasse zur nächsten. Trotzdem begegneten wir dem einen oder anderen urnudischen Fußgänger, und wenn ich ihnen ins Gesicht schaute, versuchte ich der Versuchung zu widerstehen, sie als bloße Rohentwürfe überlegener Geschöpfe von einer höheren Stelle des Dochts zu sehen. Während wir näher kamen und sie passierten, wandten sie den Blick ab, gingen uns aus dem Weg und blieben geduldig in einer Haltung stehen, die für mich unterwürfig aussah.
    »Wie viel von dem, was wir hier sehen, ist ursprüngliche urnudische Kultur«, überlegte ich laut an Lio gewandt, der neben mir Tritt gefasst hatte, »und wie viel ist die Folge dessen, dass sie schon seit tausend Jahren auf einem militärischen Raumschiff leben?«
    »Vielleicht besteht da kein Unterschied«, sagte Lio, »weil ja überhaupt nur die Urnuder solche Schiffe gebaut haben.«
    Der Boulevard fiel zu dem Platz ab, der den für Zusammenkünfte dienenden Teich umgab. Dieser war – wie wir von oben deutlich gesehen hatten – in vier Quadranten gleicher Größe unterteilt. Dementsprechend war er von vier Pavillons mit Glaswänden umschlossen, die sich wie Augenbrauen darum krümmten.
    »Schaut euch mal die Abdichtung an den Türen an!«, bemerkte Yul mit einer Kopfbewegung zu einem Pavilloneingang hin. »Die Dinger sind Aquarien.« Und tatsächlich, durch die Glaswände konnten wir Fthosier sehen, die nicht mit Nasenschläuchen ausgestattet waren und mit Dokumenten hin und her eilten oder in ihre Versionen von Nicknacks sprachen. »Sie geben ihre Atemgeräte an der Tür ab«, bemerkte Cord und deutete auf ein Gestell unmittelbar vor der massiv abgedichteten Tür, an dem Dutzende von Sauerstoffgeräten aufgehängt waren.
    Jesry stieß mich an. »Übersetzer!«, sagte er und deutete auf ein mit Fenstern versehenes Zwischengeschoss über dem Hauptdeck des »Aquariums«. Ein paar fthosische Männer

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