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Anatomie einer Affäre: Roman

Anatomie einer Affäre: Roman

Titel: Anatomie einer Affäre: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright , Hans-Christian Oeser , Petra Kindler
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für sich, um uns besser vorstellen zu können, wie es sich dort leben ließ: eine durchbrochene Wand, ein beseitigter Geruch, weniger unbewohnt wirkende Räumlichkeiten.
    So hielten wir es einige Monate lang. Wir wurden ziemlich gut darin. Ich konnte ein x-beliebiges Dreckloch betreten und auf Anhieb ein tabakbraunes Ledersofa an die längste Wand klatschen. Sobald jemand »Doppelhaushälfte aus den Fünfzigerjahren« sagte, ließ ich einen Retrolampenschirm herabbaumeln, setzte einen Eames-Designersessel darunter und knipste das Licht an. Aber ich wusste nicht, wie sich mein Leben in diesem Sessel anfühlen würde, wie ich mich darin fühlen würde. Zweifellos besser. Ich war mir sicher, dass ich mich ernsthaft und doch verspielt, erwachsen und doch glücklich fühlen würde, irgendwie wäre ich erfüllt. Andererseits aber, wie ich zu Conor sagte.
    »Andererseits.«
    Wenn wir uns zum Abschluss dieser langen Samstage liebten, hatten wir den Eindruck, als würden wir einander zurückerobern, nachdem wir uns vorübergehend abhandengekommen waren.
    Man betritt das Haus eines Fremden, und es ist spannend, das ist alles, und hinterher ist man leicht angeschmuddelt. Ich spürte es, in den verlassenen Secondhandküchen und in meinen Sonntagsbeilagenträumen. Ich spürte, wie es dahinschwand, in den Augenblicken nach dem Erwachen, wenn mir klar wurde, dass wir kein Haus mit Meerblick gekauft hatten und vermutlich auch nie eins kaufen würden. Ein Haus, das mit jedem Blick nach draußen dein Leben reinigt – eigentlich schien das nicht zu viel verlangt, aber anscheinend war es das doch. Es war viel zu viel verlangt. Ich ging die Zahlen durch, von oben nach unten und von rechts nach links, und konnte es nie fassen, was unter dem Strich herauskam.
    Unter dem Strich kam heraus, dass wir dorthin zurückmussten, wo wir begonnen hatten, ehe wir ganz und gar durchgeknallt waren. Unter dem Strich stand nicht so sehr ein Haus als vielmehr eine Geldanlage; ein Häuschen nicht zu weit außerhalb, in dem man sich gerade eben noch umdrehen konnte.
    Und genau das fanden wir denn auch: ein Reihenhäuschen in Clonskeagh, für dreihundert Riesen. Wir griffen als Letzte zu, kauften direkt vom Bauplan und leerten, um zu feiern, eine Flasche Krug – für sage und schreibe hundertzwanzig Euro.
    Keinen geringeren Champagner als Krug.
    Der war lecker.
    Damals liebte ich Conor. Ich liebte ihn wirklich – ihn und all die Varianten von ihm, die ich mir ausgemalt hatte, in jenen Häusern, in meinem Hirn. Ich liebte sie alle. Und ich liebte etwas Wesentliches: das Gespür für ihn, das ich mit mir herumtrug und das sich jedes Mal bestätigte, wenn ich ihn sah – oder einige befremdliche Sekunden später. Wir kannten einander. Unser wirkliches Leben fand in unseren Köpfen statt; unsere Körper waren lediglich die Orte, an denen wir spielten. Vielleicht sollten alle Liebenden so sein – nicht diese liebestrunkenen, schwachsinnigen Fremden wie Seán und ich, Darsteller in einem leeren Zimmer.
    Wie auch immer. Bevor unser Leben eine Ödnis aus Langeweile, Wut und Betrug wurde, liebte ich Seán. Ich meine Conor.
    Bevor unser Leben eine Ödnis aus Langeweile, Wut und alledem wurde, liebte ich Conor Shiels, dessen Herz so beständig und dessen Körper so fest und warm war.
    Am Wochenende nach der Vertragsunterzeichnung fuhren wir zu dem unvollendeten Haus und nahmen es in Augenschein. Anschließend setzten wir uns auf den Zementboden und hielten uns an den Händen.
    »Hör mal«, sagte er.
    »Was?«
    »Hör das Geld.«
    Der Wert des Hauses steige Tag für Tag um fünfundsiebzig Euro, sagte er, das mache – unter flackernden Augenlidern stellte er die Berechnungen an – etwa fünf Cent pro Minute. Was, wie ich fand, nicht viel war. Was fast lächerlich war, nach allem, was wir durchgemacht hatten. Dennoch, man konnte es beinahe fühlen, ein Schieben in den Wänden; aus dem Toaster würden Fünfer springen, das Holz der neu verlegten Dielen würde Papiergeld absondern und zu sprießen beginnen.
    Und aus irgendeinem Grund hatten wir fürchterliche Angst.
    Versuchen Sie nicht, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
    Das Haus fügte sich wie ein Legoklotz in das des Nachbarn, wo sich die Tür zum Erdgeschoss befand. Das brachte mich ein bisschen aus der Fassung – die Tatsache, dass das Haus, bevor man zum ersten Stock gelangte, nur ein halbes war. Als hätte das Gebäude einen Schlaganfall erlitten.
    Nicht dass das ein Problem war, jedenfalls keines, das als

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