Anatomie
versucht, das Richtige zu tun.«
Price war unschlüssig. »Nun, ich ließe mich gern von ihm selbst davon überzeugen. Aber dazu braucht es mehr, als dass er in rührseliger Trunkenheit ins Telefon weint. Ich messe dem Diebstahl der Knochen und den Explosionen in der Höhle da doch mehr Bedeutung bei.«
»Ja, der Anruf klang mir danach auch ein wenig hohl«, räumte ich ein, »obwohl wir nicht mit Sicherheit wissen, ob der Sheriff in diese Vorfälle verwickelt ist. Oder in die Erpressungsgeschichten seines Bruders.«
Der DEA-Beamte – seinen Namen hatte ich mir einfach nicht merken können – übernahm und stellte Fragen über das Marihuanafeld: Wer war der Bauer, wo war das Feld, wie groß war es und so weiter. Manches konnte ich beantworten, aber anderes – die Lage, Verns Nachnamen, die Anzahl der Pflanzen – wusste ich einfach nicht. »Es tut mir leid, dass ich bei den Einzelheiten nicht mehr helfen kann«, sagte ich. »Es war weit abgelegen, mir war hundeelend, und ich hatte große Angst. Da war ich nicht besonders aufmerksam.« Ich zögerte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Folgende sagen soll, aber Cousin Vern hat mir leidgetan. Er hat offensichtlich zu kämpfen, er hat ein krankes Kind, und Orbin hat den Hund des Mannes aus reiner Bosheit erschossen. Vern hat mir den Eindruck gemacht, als hätte es ihm das Herz gebrochen. Ich weiß nicht, wie viel Spielraum Sie in solchen Fällen haben, aber wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, dem Kerl eine Chance zu geben, dann wäre das sehr menschlich.«
Ein unbehagliches Schweigen folgte meinem Plädoyer. Schließlich ergriff Price das Wort. »Nun, Dr. Brockton, es ist gut, dass Sie Wissenschaftler geworden sind und nicht Polizist oder Staatsanwalt. Wenn wir jeden, der eine traurige Geschichte erzählt, vom Haken ließen, würden wir nicht viele Verhaftungen vornehmen. Aber wenn Sie sich dann besser fühlen, möchte ich Sie daran erinnern, dass im Brennpunkt dieser informellen Ermittlungen korrupte Beamte stehen und nicht kleine Pot-Bauern. Wir haben durchaus einen gewissen Ermessensspielraum im Umgang mit kleinen Fischen, die uns helfen, größere Fische an Land zu ziehen. Darüber hinaus kann ich Ihnen nichts versprechen.«
Ich nickte. »In Ordnung. Ich weiß das zu schätzen. Und ich werde alle ermutigen, so umfassend wie möglich zu kooperieren. Wohlgemerkt, ich habe nichts gesehen, was darauf schließen lässt, dass Tom Kitchings in diese Erpressung verwickelt ist. Aber obwohl mir auf dem Marihuana-Feld schlecht wurde und ich außer mir vor Angst war, habe ich genug gesehen, um zu bezeugen, dass Toms Bruder – und sein Chief Deputy – ein krummer Hund ist.«
»Nimmt er Bestechungsgeschenke oder nimmt er Geld?« Die Frage kam von einem Mann, der den Raum leise betreten hatte, nachdem ich angefangen hatte zu erzählen. Price stellte ihn als David Welton vor, den Anwalt des FBI.
»Nun, er hat dem Mann eine Waffe an die Schläfe gesetzt und ihm gedroht, ihn zu erschießen, wenn der ihm in zwei Wochen nicht tausend Dollar auf den Tisch legt. Ich würde das auf jeden Fall Erpressung nennen.«
Welton machte sich jetzt Notizen. »Und war er in Uniform, als er das tat?«
»Zum Teufel, selbst sein Hubschrauber trug Uniform.«
Der Anwalt sah Price an. »Klingt, als hätten wir ihn sowohl bei Hobbs als auch beim Anschein des Rechts«, sagte er. Sie nickte.
Ich schaute verdutzt von einem zum anderen. Welton erklärte: »Der Hobbs Act verbietet Diebstahl oder Erpressung, die den freien Warenverkehr beeinträchtigen. Er wurde 1946 verabschiedet, damit die Gewerkschaft der Transportarbeiter nicht das gesamte Lkw- und Transportwesen übernahm.« Ich freute mich zwar über die Geschichtsstunde, wusste aber nicht recht, ob sie meine Verwirrung ausräumte oder noch vergrößerte. »Der Verkauf von Marihuana ist kein legaler Warenverkehr«, fuhr er fort, »aber ich denke, wir können geltend machen, dass er in Cooke County fest etabliert ist, quasi eine Säule der Schattenwirtschaft.« Ich begriff allmählich seine Argumentation, aber konnte es wirklich sein, dass Orbin mit seinen Machenschaften den Drogenhandel behinderte? »Übrigens«, fügte er hinzu, »wo wir gerade von Pot-Feldern sprechen, falls Ihr Freund Vern sein Feld mit Fallen schützt, was viele dieser Hinterwäldler tun«, Panik um Waylon durchfuhr mich, die ich mir jedoch auf keinen Fall anmerken lassen wollte, »könnte er sich allein dafür auf zehn Jahre im Bundesgefängnis freuen.« Ich machte
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