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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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hatte ich zugesehen, wie er einen menschlichen Kopf auf einem Barbecue-Grill verbrannt hatte. Nach wenigen Minuten auf einem Bett aus heißen Kohlen war die Haut an der Stirn aufgeplatzt und hatte sich gelöst. Dem Grad der Kalzinierung und der Farbe von Orbins Schädel nach zu schließen – die Farbtöne reichten vom Ascheweiß des Stirnbeins zum Karamellbraun des Hinterhauptbeins am Hinterkopf –, hatte sich die Kopfhaut des Deputys nur nach und nach vom Schädel gelöst, in Zeitlupe skalpiert von einem sadistischen Feuergott.
    Wahrscheinlich konnten wir den größten Teil der Leiche in einem Stück aus dem Wrack holen, und wenn uns das gelang, war die Bergung weitaus schneller und einfacher. Ich wollte jedoch nicht das Risiko eingehen, dass wir den Schädel dabei zerstörten, also holte ich mir aus meinem Werkzeugkasten ein Skalpell. Mit einer Hand neigte ich den Kopf leicht nach hinten, mit der anderen schob ich das Skalpell vor und zurück, um die verbrannten Überreste von Bändern und Rückenmark zu trennen. Dann hob ich den Schädel hoch, schob mich rücklings aus dem Wrack und drehte mich um, um meinen Mannschaftskameraden den Schädel zu zeigen.
    Art stieß einen Pfiff aus, als er das Loch mitten in der Stirn sah. Es maß ungefähr zweieinhalb Zentimeter im Durchmesser; die Ränder waren eingekerbt, und Frakturlinien strahlten davon aus wie krumme Speichen an einem demolierten Rad. »Das ist eine große Einschusswunde«, sagte er. »Die Patrone muss aufgepilzt sein, als sie auf die Windschutzscheibe traf. Zudem ein verdammt guter Schuss«, fügte er hinzu. »Oder unglaubliches Glück. Ich wette, Orbin hat dem Schützen direkt in die Augen gesehen, als der abgedrückt hat. Von wegen dem Tod ins Angesicht schauen.«
    »Wenn er Keanu Reeves in Matrix gewesen wäre«, sagte Miranda, »hätte er der Kugel ausweichen können.«
    »Wenn er Christopher Reeve in Superman gewesen wäre, wäre sie glatt von ihm abgeprallt«, sagte ich.
    »Wenn er Superman gewesen wäre, hätte er nicht im Hubschrauber fliegen müssen«, fügte Sarah hinzu.
    »Das stimmt«, mischte sich Art ein. »Und er hätte den Typ mit seinem Teleskopblick entdeckt. Und mit seinem Hitzeblick hätte er ihn verbrannt.«
    »Das langt jetzt«, sagte ich. »Von diesen komplexen forensischen Hypothesen wird mir ganz wirr im Kopf.«
    Ich reichte Miranda den Schädel und beugte mich wieder ins Cockpit, um zu schauen, wie viel vom Körper noch intakt war. Arme und Unterschenkel waren verbrannt, was nicht überraschte, denn sie waren relativ dünn und zylindrisch und von allen Seiten von Sauerstoff umgeben. Damit waren sie stets das Erste, was in einem heißen Feuer verbrannte. Einige der entsprechenden Knochen lagen auf dem verbogenen Metall der Pilotentür, andere waren mit dem Plexiglas, das erst gesprungen, dann geschmolzen, danach abgekühlt und zu einer klumpigen schwarzen Masse ausgehärtet war, zu einem bizarren Konglomerat verschmolzen.
    Die Rippen waren fast vollständig freigelegt, außer am Rücken, wo sie mit der Wirbelsäule verbunden waren. Dort hatten die Polsterung und das Leder des Sitzes das Fleisch in den ersten paar Minuten vor dem Feuer geschützt, genau wie unter den Pobacken und der Rückseite der Oberschenkel. Zwei Personen würden Mühe haben, den Torso durch die Öffnung der Windschutzscheibe zu zwängen. »Miranda, könnten Sie bitte einen Leichensack offen hier auf dem Boden auslegen«, rief ich. »Art, hast du Handschuhe an?«
    »Ja«, sagte er und wackelte mit seinen purpurrot behandschuhten Fingern, »die Handschuhe habe ich an, aber die passende Handtasche konnte ich nirgends finden. Was kann ich für dich tun?«
    »Komm, hilf mir, ihn hier rauszuziehen, ja?«
    »Aber gerne.«
    Sobald Miranda und Sarah den Leichensack offen zu meinen Füßen ausgebreitet hatten, langte ich auf der linken Seite ins Cockpit und schob die Hände unter die linke Hüfte und die linken Rippen der Leiche. Art lehnte sich auf der rechten Seite durch die Öffnung und schob die Hände hinter die rechte Schulter und die rechte Hüfte. »Bei drei«, sagte ich. »Eins, zwei, drei! « Wir stöhnten vor Anstrengung, doch die verkohlte Leiche hob sich von Sitz und Türrahmen und ließ sich wankend durch die Windschutzscheibenöffnung hieven.
    »Wart mal ’ne Sekunde; ich muss umgreifen«, sagte Art, und damit trug ich plötzlich das ganze Gewicht der Leiche – das zwar im Vergleich zu früher beträchtlich reduziert war, aber immer noch eine schwere Last

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